Passage du Gois

Heute geht es an der Atlantikküste ein Stück weiter nach Norden. Dabei besuchen wird die einzigartige Passage du Gois, fahren durch die Salzgärten von Valencières und verbringen einen Nachmittag zwischen Ebbe und Flut am Port des Brochets an der Baie de Bourgneuf.

Start in Saint-Vincente-sur-Jard

Wie so oft haben wir es uns trotz des schönen Wetters nicht nehmen lassen lange auszuschlafen. Irgendwie gehören wir nicht zu den Frühaufstehern unter den Wohnmobilisten. Und auf jeden Fall braucht ein Frühstück in aller Ruhe, um gut in den Tag zu starten. Als wir gegen 10:30 am Aire CAMPING-CAR PARK Saint Vincent Sur Jard aufbrechen, hat sich der Platz schon weitgehend geleert. Heute ist Sonntag, ein klassischer Abreisetag für einheimischen Camper.

So zuckeln wir den frühgestarteten hinterher und fahren nach Norden. Es soll immer in Küstennähe entlang gehen. Vielleicht findet sich auf der Strecke eine gute Gelegenheit für einen Abstecher ans Meer. So unser noch diffuser Plan für den heutigen Tag. Zunächst kommen wir auf den gut ausgebauten Departementstraßen gut voran. Wir können Talmont-Saint-Hilaire und Les-Sables-d’Olone zügig umfahren. Doch als wir kurz nach 11:00 Uhr den großen Kreisverkehr erreichen, der uns auf die küstennahe D 38 leiten soll, wird unsere Fahrt gestoppt.

Umleitung wegen eines Triathlons

Vor dem Kreisverkehr hat sich ein kleiner Stau gebildet. Auto für Auto fährt langsam in das Rondell hin. Dort stehen vier Personen in legerer Freizeitkleidung. Nach einen kurzen Wortwechsel zwischen Ihnen und den Fahrern dreht jedes Auto eine Runde und verlässt den Kreisverkehr wieder in die Richtung, aus der es gekommen war.

So schiebt sich die kleine Kolonne langsam vorwärts und nach fünf Minuten sind wir an der Reihe. Von den was uns gesagt wird verstehen wir mit unseren Französischkenntnissen so gut wie nichts. Daher springt ein Herr mittleren Alters ein, der uns sie Sachlage in englisch erklärt. Heute findet der IRONMAN Les Sables d’Olonne – Vendée statt. Für dieses Triathlonrennen in der Mitteldistanz wurden für heute die Straßen nördlich von Les-Sables-d’Olonne weiträumig gesperrt. Ja da kann man nicht machen.

Also vollenden auch wir unsere Ehrenrunde im Kreisverkehr und fahren drei Kilometer zurück. Dort können wir in Richtung der D 160 abbiegen die uns landeinwärts in Richtung La Roche-sur-Yon bringen wird. Glücklich sind wir über diese Umleitung nicht. Erstens bringt sie einen erheblichen Umweg von fast 40 Kilometern mit sich und zweitens wird es zunächst wieder nichts mit einem Tag am Strand. Die Umleitung für uns weg vom Meer, eine ganzes Stück ins Landesinnere.

Auf der D160 Richtung La Roche-sur-Yon wird klar wie gründlich auch hier die Absperrungen für die Triathlonveranstaltung sind. Alle Ausfahrten, die von der vierspurig ausgebauten Schnellstraße nach Norden führen, sind gesperrt. Erst am nordwestlichen Stadtrand von La Roche-sur-Yon können wir in Richtung Nordosten auf die D 948 abbiegen. Auf ihr kommen wir schnell voran, da auch sie bis Challans vierspurig ausgebaut ist. Es geht vorbei an Aizenay und in einem weiten Bogen nördlich um Challans herum. Als wir dann gegen 12:20 Uhr Beauvoir-sur-Mer passieren zeigt sich laut Routenplaner, dass sich der Zeitverlust durch die Umleitung mit einer viertel Stunde durchaus in Grenzen hielt.

Auf dem Weg, über den es sonst nicht viel zu berichten gibt, haben wir allerdings einen neuen Plan für den Tag geschmiedet. Ein Blick ins Internet auf die Seite ile-noirmoutier.com brachte uns die Erkenntnis, dass in kürze das Niedrigwasser den Weg über die Passage du Gois freigeben wird.

Passage du Gois

So geht es für uns von Beauvoir-sur-Mer noch immer weiter auf der D 948, die nun eine schmale Landstraße ist, die durch eine wahrhaft amphibische Landschaft führt. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass unzählige kleine Kanäle hunderte von künstlichen Becken mit Meereswasser versorgen. Offenbar werden einige davon noch als Salinen genutzt und andere dienen der Austernaufzucht. Der Blick auf der Satellitenbild der Region zeigt aber auch, das viele dieser Teiche am verlanden sind.

Dann erreichten wir die Küste der Baie de Bourgneuf und damit den landseitigen Beginn der Passage du Gois, was nicht mehr als „Übergang an der Furt“ bedeutet. Dieser Übergang führt hinüber zur Île de Noirmoutier auf der anderen Seite der Baie de Bourgneuf. Er ist viereinhalb Kilometer lang und führt mitten durch das Watt. So ist man bei der Nutzung der Passage du Gois von den Gezeiten abhängig. Nur bei Ebbe gibt das Meer die Fahrbahn frei. Die liegt nämlich nur wenige Dutzend Zentimeter über Grund des Watts. Bei Spring- und Sturmfluten jedoch kann der Wasser bis zu 4,5 Meter über der Straße stehen.

Ein wenig aus der Geschichte der Passage du Gois

Dort wo heute die Passage de Gois verläuft, absolvierten Bewohnung der Île de Noirmoutier bis ins 18. Jahrhundert den Weg zur Insel und zurück zu Fuß. Für die gefährliche Passage nutzen sie die vielen Sandbänke, die es im flachen Teil der Baie de Bourgneuf zwischen dem Festland und dem Südostufer der Île de Noirmoutier gibt. Gezeiten und Stürme verschoben die Sandbänke aber immer wieder. Um den Weg sicherer und berechenbarer zu machen, begann man die Sandbänke mit Steinen befestigt. Sie bilden die Grundlage für den heutigen Fahrbahndamm.

1924 wurde der Strecke dann geschottert, was sie auch für den aufkommenden Autoverkehr passierbar machte. Außerdem wurden am Straßenrand drei Rettungsinseln mit je einer Plattform und sechs weitere Dalben mit Sprossen erreichtet. Auf diese konnten sich jene Passanten retten, die von der Flut überrascht wurden. Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Schotterpiste mit quadratischen Betonplatten ausgelegt. Zur Sicherung der Strecke gegen der Druck der Strömung wurden links und rechts der Fahrbahn außerdem Spundwände gesetzt.

  • Rettungsturm - Passage du Gois
  • Rettungsdalbe - Passage du Gois
  • Fahrbahnbelag aus der 1930er Jahren - Passage du Gois

Während des zweiten Weltkrieges nutzte ab Juni 1940 die Wehrmacht die Passage und richtete an beiden Enden Kontrollposten ein. Die Île de Noirmoutier war zum Sperrgebiet erklärt worden und nur Inhaber eines Passierscheins durften die Insel betreten.

Nach dem zweiten Weltkrieg, mit der zunehmenden Motorisierung und dem stärker werdenden Tourismus nahm der Autoverkehr über die Passage du Gois enorm zu. 1970 wurden 910.000 Überquerungen von Auto gezählt. Die eingeschränkte Verfügbarkeit, verursacht von den Gezeiten, ließ an beiden Enden lange Staus entstehen. Daher wurde 1971 mit der Einweihung der Pont de Noirmoutier Abhilfe geschaffen. Mit der neuen Brücke hinüber zur Île de Noirmoutier nahm die Nutzung der Passage du Gois drastisch ab. Schätzungen gehen davon aus, dass heute noch 200.000 bis 300.000 Überquerungen stattfinden.

Die Passage du Gois heute

Als wir heute die Passage du Gois passieren können wir mehrere Nutzergruppen ausmachen. Die Mehrheit bilden wohl die Touristen, die mit PKWs oder Wohnmobilen hinüber auf die Île de Noirmoutier wollen.

Dazwischen rollen die Traktoren der Austernzüchter. Sie nutzen die Passage ein Stück. Dann scheren sie rechts und ziehen ihre mit Austernkörben beladenen Anhänger weit hinaus ins flache Wasser der Baie de Bourgneuf.

Dann gibt es eine ganze Reihe von PKWs, die auf der Passage stoppen und links oder rechts der Trasse parken. Mit Gummistiefeln und Eimern bewehrt stapfen die Insassen als Fuß-Fischer hinaus in das flache Wasser der Bucht.

Und natürlich sind auch eine ganze Reihe an Radfahrern unterwegs. Sie halten an interessanten Stellen der Passage. Dabei steht das Selfie-Machen vor oder auf den Rettungstürmen besonders hoch im Kurs.

Unsere Überfahrt dauert ca. 10 Minuten. Einen kleinen Eindruck davon vermittelt das folgende Video.

Überfahrt über die Passage du Gois

Auf der anderen Seite angekommen, finden wir gleich neben Point de vue Passage du Gois einen Parkplatz am Straßenrand. Der Point de vue Passage du Gois ist eine großflächig angelegte Terrasse oben auf dem Deich. Von dort hat man einen schönen Panoramablick über die Baie de Bourgneuf, die Passage du Gois und weiter bis zur Pont de Noirmoutier und den südlichen Teil der Île de Noirmoutier.

  • Point de vue Passage du Gois
  • Die Regeln der Fussfischer - Passage du Gois
  • Passage du Gois am Point de vue Passage

Wir verweilen dort eine ganze Weile und genießen neben dem Ausblick die Sonne, den Wind und Duft von Meer und Watt. Unser besonderes Interesse gilt aber den Fuß-Fischern. Mehrere Dutzend, wenn nicht gar insgesamt an die hundert von ihnen mögen da draußen unterwegs ein.

Die Fussfischer an der Passage du Gois

Stehend und laufend suchen Sie den Meeresboden ab, wenden Steine und stochern im Schlick. Sie sind auf maritime Delikatessen in harten Schalen aus. Strandschnecken, Dreiecks-, Herz, und Miesmuscheln gehören genauso dazu wie Venusmuscheln in ihren europäischen und japanischen Varianten. Besonders begehrt sind die edlen Jakobsmuscheln und natürlich die Austern. Bevor man seine Beute in Eimern und Beuteln zurück zur Passage du Gois tragen kann, gibt es bei der Mühe des Sammelns einige Regeln zu beachten.

Die Sammelregeln

Da sind zunächst die Fangmengen. Drei Kilogramm pro Art und Sammler sind gestattet. Bei den Austern sind es drei Dutzend Stück. Die Menge einer für Franzosen üblichen Portion für einen Erwachsenen.

Außer für die Strandschnecken gibt es auch strenge Mindestmaße für alle Muschel. Die Fallen je nach Art natürlich unterschiedlich aus. Alles, was kleiner als das Mindestmaß ist, ist für die Fuß-Fischer tabu.

Abschließend ist man gebeten alle Steine unter den man nach den Mollusken suchte wieder an Ort und Stelle zu legen. Dabei ist auch darauf zu achten, dass die algenbewachsene Seite wieder nach oben zu liegen kommt. Ansonsten droht Fäulnis. Giftstoffe könnten sich bilden, die die empfindlichen Bewohner des Schlicks bedrohen könnten

Das Fuß-Fischen bietet neben dem Sammelspaß auch die Chance einiges an Geld zu sparen. So kostet eine Dutzend Zuchtaustern je nach Qualität in Größe auf den örtlichen Märkten und an den vielen Austernbars der Gegend zwischen vier und acht Euro.

Nach ca. einer Stunde brechen wir wieder auf. Da wir die Île de Noirmoutier schon von einem Besuch aus dem letzten Jahr kennen, soll es zurück ans Festland gehen.

Marais Salant les Valencières

Zunächst steuern wir den Port du Bec an. An der Mündung des Flüsschens La Dain gibt es dort einen kleinen Hafen der auch Stellplätze für Wohnmobile anbietet. Die sind allerdings weitgehend belegt. Da uns der Sinn nicht nach Kuschelcamping steht, beschließen wir unserer Glück, etwas weiter nördlich in Port des Borchets zu versuchen.

An der Landseite der Baie de Bourgneuf durchqueren wir nun eine flache unbewaldete Landschaft. Ein Blick auf Landkarte zeigt, dass sie deltaförmig weit ins Land bis Machecoul reicht. Auch erkennt man, dass auch sie von unzähligen Kanälen und künstliche Wasserbecken durchzogen ist.

Wir sind in den Marais Salant les Valencières, den Salzgärten von Valencières angekommen. Einst muss die Salinenwirtschaft hier geblüht haben. Schließlich mussten die mühlevoll angelegten Salinenbecken und das aufwendige Kanalsystem, welches die Becken bis weit in Land mit Meereswasser versorgte, Gewinne abwerfen.

Auch heute noch sind einige wenige der Salinen in Betrieb und auch die Kanäle werden scheinbar in Schuss gehalten. Die meisten der Wasserbecken liegen allerdings brach und scheinen nicht genutzt zu werden. Dazwischen gibt es große Grasflächen, die teilweise zur Heugewinnung genutzt werden. Weidetiere sind allerdings kaum auszumachen. Irgendwie hat diese Landschaft ihren ganz eigenen Reiz. Das Meer ist nicht zu sehen aber seine Nähe doch deutlich spürbar.

Port des Brochets

In Port des Brochets angekommen finden wir ein kleines Fischerdorf vor, dass sich entlang der Mündung des Étier des Brochets entlangzieht. Es sind nur wenige Wohnhäuser auszumachen. Die meisten Häuser und Hallen scheinen Wirtschaftsgebäude ansässigen Fischer und Austernzüchter zu sein. Die Häuser sind meist niedrig, als müssten sie sich von den im Herbst heran rollenden Atlantikstürmen ducken.

Die letzten 500 Meter des Étier des Brochets vor seiner Mündung in die Baie de Bourgneuf wurden befestigt und werden als Hafen genutzt. Zu beiden Seiten des Ufers wurden im Abstand von vielleicht 10 Metern Stege angelegt. Jeder von ihnen bietet einem Boot einen Liegeplatz.

Meist sind es die Sportboote der Hobbyskipper, die hier festgemacht haben. Manche sind kleine offene Nussschalen, viele haben aber auch eine kleine Kajüte die vor den Unbilden des Wetters, sei es brennende Sonne oder Wind oder Gischt und Regen, ein wenige Schutz bieten. Kaum eines der Boote ist länger als sieben, acht Meter. Nur ganz vorn, kurz vor der Mündung liegen ein paar sturmbewährte Fischkutter, die ein wenig größer sind.

Ebbe und Flut

Als wir ankommen, ist allen gemein, dass sie nicht schwimmen. Unansehnlich liegen sie unten im Modder und Schlick des Étier des Brochets, der jetzt bei Ebbe nicht mehr als ein Rinnsal ist.

Ebbe - Port des Brochets
Ebbe – Port des Brochets

Wir finden am Südufer des Hafens einen Stellplatz mit einem schönen Blick auf den Hafen und das Meer. Es ist nun 14:20 Uhr und wir finden, dass dies eine wunderbare Zeit für eine späte Mittagsruhe ist. Die gestaltet sich länger als gedacht.

Als wir später gegen 18:00 Uhr beginnen den Ort mit den Rädern zu erkunden, hat sich die Lage im Hafen grundlegend geändert. Fröhlich schaukeln alle Boote nun hoch oben auf dem Étier des Brochets, dessen Wasserstand sicher um zwei Meter angestiegen ist.

Flut - Port des Brochets
Flut – Port des Brochets

Und war der Port des Brochets heute Mittag wie ausgestorben, so fahren nun einige Bootsbesitzer heran und beginnen ihre Boote für eine Ausfahrt vorzubereiten. Die Fischer ganz vorne an der Mündung habe grade los gemacht und fahren hinaus in die Baie de Bourgneuf.

Austern Essen und ein Besuch in der Bar Chez Pierrette

Wir erkunden beide Seiten des Hafens und das benachbarte Ufer der Baie de Bourgneuf. Viel ist hier allerdings los. Das macht den Ort für uns allerdings noch sympathischer. Die kleine Austernbar Les Rose des Vents hat zu unserer Überraschung geöffnet. Wir nehmen dort ein Dutzend Austern mit. Lieder sind heute am Sonntagabend die Zitronen ausgegangen. So müssen wir uns beim Verzehr der edlen Schalentiere eingestehen, dass wir nicht zu den Austernpuristen gehören, die den Schaleninhalt genüsslich ohne jeden Zusatz schlürfen. Wir finden sie schmecken, angesäuert mit ein paar Tropfen des Saftes einer frischen Zitrone deutlich besser.

Austern
Austern

Den Abend beenden wir mit einem kühlen Bier vor der Bar Chez Pierrette. Dort sitzt man nicht schön, aber authentisch. Alle anderen Gäste scheinen Einheimische zu sein, die in der Bar eine verschworene Gemeinschaft zu bilden scheinen. In die wollen wir als Außenstehende nicht eindringen und bleiben lieber draußen und genießen das warme Licht der untergehenden Sonne.

Port des Brochets ist definitiv kein Urlauberort. Dort dominiert die harte Arbeit der Fischer und Austernzüchter und wir sind froh hier ein gern geduldeter Gast zu sein. Ein ganz anderes Bild von Frankreichs Atlantikküste, abseits der Touristenzentren.

Später erleben wir am Wohnmobil einen sehr schönen Sonnenuntergang hinter der Hafenkulisse von Port des Brochets.

  • Blaue Stunde - Port des Brochets
  • Sonnenuntergang - Port des Brochets
  • Die Nacht beginnt - Port des Brochets

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