Vom Lot geht es heute an die Vézère. Dabei legen wie einen längeren Stopp in Rocamadour ein und sind ein Stück an der Dordogne unterwegs bevor wir im malerischen Les-Eyzies-de-Tayac im Tal der Menschen ankommen.
Aufbruch in Boisse-Penchot
Heute sind wir etwas früher am Start als sonst. Wir bringen die üblichen morgendlichen Rituale im und mit dem Wohnmobil hinter uns. Dabei werden das Grauwasser los und auch den Toiletteninhalt können wir entsorgen. Nur Frischwasser ist hier nicht so einfach zu bekommen. Dazu benötigen wir eine Wertmarke, die nur in der Mairie zu erhalten ist. Das ist uns zu aufwendig und würde sicher auch einiges an Zeit kosten. So brechen wir lieber ohne Frischwasser auf und sagen Boisse-Penchot gegen 09:30 Uhr Adieu.
Dem Lot, dem roten Faden unserer gestrigen Etappe werden wir nur noch einige wenige Kilometer folgen. Von Capdenac, dort wo wir den Fluss verlassen, strömt er windungsreich weiter nach Westen. Er erreicht Cahors, einem weiteren wichtigen Pilgerort an der Via Podensis. Bei Aiguillon mündet er dann die Garonne, um mit ihr gemeinsam dem Atlantik entgegen zu strömen.
Wir aber biegen nach Norden ab und beginnen vorbei an Figeac die Wasserscheide zwischen dem Lot und der Dordogne zu erklimmen. Der Departementstraße 840 führt entlang der Aue eines kleinen Flusses hinauf ein Hochfläche. Die Weiden und Felder stehen unter einem blauen Himmel in sattem Grün. Hin und wieder sind kleinere Ortschaften zu passieren. Nach etwas mehr als 50 weitern Kilometern erreichen wir gegen 10:50 Uhr einen der berühmtesten und bemerkenswertesten Orte Frankreichs. Schon die Anfahrt auf Rocamadour lässt seine großartige Kulisse erahnen.
Rocamadour
Der bekannte Pilgerort gehört zu den Grand Site de France, genauso wir die Höhle von Orgnac. Nur das sich das Sehenswerte hier nicht unter, sondern über der Erde befindet. Hoch über der Erde sogar. An einer steilen Felswand hoch über meist trockenen Tal des Flüsschen Alzou befindet sich einer der bekanntesten Wallfahrtsorte Frankreich. Der Name Rocamadour leitet sich vom „Felsen des heiligen Amator“ ab.
Amator der Einsiedler
Der Einsiedler soll sich nach dem Tot Christi nach Gallien begeben haben. Er ließ sich unten am Felsen nieder und lebte fortan als Einsiedler. 1166 wurde ein unverwester Leichnam in einem alten Grab vor der Marienkapelle in Rocamadour entdeckt. Schnell war kalk, das musste die Leiche des heiligen Einsiedlers Amator sein. Und schon war die Legende für einen prosperierenden Wallfahrtsort geboren. Und den Pilgern musste man einiges bieten. So entstand oben am Fels so etwas wie eine heiliger Bezirk. Davon später mehr.
Ein Ankunft mit Hindernissen
Als wir in Rocamadour ankommen, suchen wir eine Parkplatz. Wir versuchen unser Glück in der Straße Les Esclargies. Dort gibt es oberhalb des Kiosk an der Aussichtplattform einen größeren Parkplatz unter schattigen Bäumen. Die rechte Seite ist ausdrücklich für Wohnmobile gesperrt, auf der rechten Seite ist jedoch ein Wohnmobil auszumachen. Bestens! Wir parken neben dem Kollegen ein und wollen uns gerade auf den Weg machen.
Da tritt schimpfend die Dame aus dem Kiosk auf den Platz und bedeutet uns, dass wir hier auf keinen Fall bleiben können. Auch der Hinweis auf unseren „Parknachbarn“, der diese Privileg genießt, kann sie nicht erweichen. Also fahren wir unverrichteter Dinge weiter. Den nächsten Versuch wagen wir am Parkplatz am Schloss. Es ist eine moderne mit allen Schnick-Schnack ausgestatte Parkanlage mit einem eigenen Bereich für Wohnmobile. Prima!
Als wir vor der Schrank stehen, will diese sich partout nicht heben. Wir können uns nicht erklären warum. Vielleicht die die Schrankenanlage so intelligent, dass sie erkennt das ein Wohnmobil um Einlass bittet. Und ob in dem Bereich für die Wohnmobile noch Platz ist, können wir von der Einfahrt aus nicht überblicken.
Nur gilt es rückwärts zu rangieren. Nor so können wir aus unserer misslichen Lage befreien. Dabei finden wir das Verständnis von vier Autos, die sich hinter uns eingereiht hatten. Geduldig fahren sie zurück und machen uns so den Weg frei.
Wir beschließen die Oberstadt zu verlassen und nach unten in das Flusstal zu fahren. Vielleicht ergibt sich dort eine Möglichkeit. Die Fahrt hinunter ist recht spektakulär. Die Parkmöglichkeiten dort unten sind aber auch alle belegt.
Also geht es wieder nach oben. In der engen Kehre am Eingang zur Unterstadt wird es eng, als uns ein überlanger Van entgegenkommt. Offenbar ist er der Hotelbus eines der hiesigen Etablissements. Freundlich setzt er zurück und lässt uns ortsunkundigen die Vorfahrt. So geht alles gut. Ober wieder angekommen müssen wir uns für den weit draußen gelegenen Ausweichparkplatz entscheiden. Alternative hätten wir auch den Wohnmobilstellplatz nutzen können, aber wir wollen ja nicht über Nacht bleiben.
Insgesamt hat uns die Suche nach einem Parkplatz gute 40 Minuten gekostet.
Durch die obere Stadt
Da es vom unseren Parkplatz bis Kirchenbezirk nun gute drei Kilometer Weg sind, beschließen wir die Räder zu nehmen. Zuerst fahren wir den Place du Belvédére an. Vor dort hat man einen fantastischen Blick auf den Felsen mit seinen Kirchen, der kleinen Stadt zu ihren Füßen und dem Schloss oben auf dem Fels.
Weiter geht es zu dem nur noch in als Ruine erhaltenen Hospital. Es befindet sich gleich neben dem alten Friedhof von Rocamadour. Da dies etwas abseits des eigentlichen Heiligtums liegt hatte sicher seinen Grund.
Hier kamen Wallfahrer und Pilger aus ganz Europa her. Und spätesten seit den ersten Ausbrüchen der Pest in Frankreich im 14. Jahrhundert wusste man, dass es keine gute Idee war die Kranken gemeinsam mit den Gesunden an die Altare treten zu lasse.
Heute ist nicht mehr viel übrig vom Hospital. Die Kapelle, ein Torbogen und ein paar Grundmauern . Hier befindet sich auch die Porte Sainte – die heilige Pforte – durch die die Pilger den letzten Kilometer zur Schwarzen Madonna von Rocamadour in Angriff nahmen.
Von dort aus fahren wie weiter zur Burg. Dabei folgen wir der Departementstraße 200. Sie verläuft nahe dem Abhang des Felsen und verbindet die einzelnen Teile des Ortes. Ihre Lage macht sie zu einer Art Panoramastraße, von der man immer wieder schöne Ausblicke über das Tal des Alzou und auf Felsen von Rocamadour mit seiner außergewöhnlichen Bebauung hat.
Dann kommen wir wieder am Parkplatz vor der Burg an. Wir stellen die Räder ab und nehmen die Ascenseur Incliné SOLVEROC. Die Schrägseilbahn bringt uns durch den Berg hinunter auf die zweite Ebene von Rocamadour. Der Spaß kostet und angemessene 6,60 € pro Person für die Tal- und Bergfahrt.
Die Kirchen und die schwarze Madonna
Dort unten befindet sich der Kirchenbezirk. Der birgt die eigentliche heilige Reliquie von Rocamadour. Amator der Einsiedler soll die Schwarze Madonna von Rocamadour eigenhändig aus einem schwarzen Stück Holz geschnitzt haben. Ein heiliger Einsiedler und eine schwarze Madonna aus seiner Hand. Diese Story zog über die Jahrhunderte abertausende Pilger hierher. Manche kamen freiwillig, Vielen wurde der Weg dorthin aber auch als Buße auferlegt. Die katholische Kirche redete ihnen ein, dass sie sich so ihrer Sünden entledigen könnten. Aber egal was der Grund ihrer Reise nach Rocamadour war, einträglich war das Geschäft mit den Wallfahrern und Pilgern auf jeden Fall.
Um den Reisenden dort etwas zu bieten, reichte eine schwarze Madonna in einem Schuppen natürlich nicht aus. Ein exklusiver Ort für ihre Präsentation musste her. So entstand ein Komplex von sieben Kirchen und Kapellen, die um einen kleinen Platz angeordnet sind.
Wir werfen eine Blick in die meisten und finden natürlich auch die schwarze Madonna. Sie ist erstaunlich unspektakulär und weit oben in der kleinen Kirch platziert. So kann man nur wenige Details des Gesichts ausmachen. Weit auffälliger als die Madonna selbst ist das Gewand, in dem sie gekleidet ist. Als Vergleich fällt und das Bildnis der heiligen Fides in Conques ein. Von deren künstlerischer Eindringlichkeit können wir bei Anblick der schwarzen Madonna von Rocamadour allerdings nichts wahrnehmen.
Das Schwert Durendal
Um die Spiritualität des Ortes noch ein wenig zu steigern, wurde zwischen zwei der Kapellen in Schwert in den Fels gerammt. Und man mag es nicht glauben. Einer weiteren Legende zufolge soll Roland, der berühmte Paladin Karls des Großen in den letzten Zügen seines Gefechtes gegen die Sarazenen in den Pyrenäen das wundertätige Schwert „Durendal“ nach Norden geschleudert haben. Auf keinen Fall sollte es den Sarazenen in die Hände fallen. Der Wurf geriet wohl ein wenig außer Kontrolle.
Es flog gute 270 Kilometer, drehte seine Flugbahn vor dem Eintreffen in Rocamadour um 90 Grad nach Westen und steckt nun in der Felswand zwischen der Chapelle Saint-Michel und der Chapelle Norte-Dame. Im Heft des Schwertes, so erzählt eine andere Legende, soll sich ein Zahn des Apostels Petrus, Blut es heiligen Blasius, ein Haar des heiligen Dyonisus und ein Stück des Gewandes der Jungfrau Maria befinden. Und das alles ist heute nur mit einer rostigen Kette gesichert – wenn man da auch nichts abhandenkommt.
Wir finden den Ort in erster Linie wegen seiner Architektur und seiner besondere Lage mitten an der Felswand von Rocamadour bemerkenswert und meinen, dass sich der Weg dorthin hat sich jeden Fall gelohnt hat.
Unten in der Stadt
Wir fahren mit einem weiteren Lift noch hinunter in den unteren Teil des Ortes. Der besteht aus einer einzigen Straße, die sich am unteren Teil der Felswand entlangzieht. Der nur den Fußgängern vorbehalten Abschnitt liegt zwischen den alten Stadttoren Porte Hugon und Porte du Figuier und ist ca. 350 Meter lang.
Die Straße säumen beiderseits mittelalterliche Steinhäuser, die teils liebevoll saniert wurden. Alles ist hier auf die Touristen eingestellt. Läden und Boutiquen locken mit Mode, regionalen Produkten, Schmuck und was sonst so den Reisenden Freude machen kann. Restaurants, Bistros und Bars in historischem Ambiente sorgen sich um das leibliche Wohl der Gäste. Wallfahrt ganz modern.
Unser Weg durch Rocamadour
Weiter an die Dordogne
Wir fahren mit dem Aufzug wieder hinauf zu unseren Rädern und treten den Rückweg zum Wohnmobil an. Einen letzten Halt legen wir an der Belvédére du photographe ein. Dort genießen wir ein letztes Mal den Blick über das Tal der Alzou und das einmalige Bauensemble von Rocamadour.
Gegen 14:30 Uhr starten wir in Rocamadour mit dem Ziel Dordogne. Zunächst folgt die Straße dem Tal des Alzou. Dann überqueren wir den Fluss und fahren weiter Richtung Soulliac sur Dordogne. Über der Stadt gibt es an der Departementstraße 820 einen Rastplatz, den Aire de Belvédére. Seinen Namen hat er sich verdient. Der Blick von dort über das Tal der Dordogne ist sehr sehenswert. Auf der Autobahn A20, die wir auch von dort oben im Blick haben, hat sich ein langer Stau gebildet. Wir bleiben ein Weilchen und nutzen die Zeit für einen verspäteten Mittagsimbiss.
Entlang der Dordogne
Wir fahren hinunter an die Dordogne nach Soulliac. Von dort halten wir uns am rechten Ufer und folgen dem Fluss Richtung Westen. In weiten Mäandern durchzieht die Dordogne hier die Landschaft. Ihre Wildheit, die wir unweit ihrer Quelle im oberen Flussabschnitt in den westlichen Ausläufern des Zentralmassivs schon kennenlernen konnten, hat sie hier verloren. Das weite Flusstal hier konnte so zu einer uralten Kulturlandschaft geformt werden. Die Straße bietet interessante Ausblicke wie dem am Cingle de Montfort, von wo man einen Postkartenblick auf Château de Montfort hat.
Ein Stück weiter in Le Port entdecken wir an andern Flussufer eine große Kanustation. Dutzende Boote liegen dort aufgestapelt oder einzeln auf der Wiese. Viele Menschen sind unterwegs und es gibt einen großen Parkplatz. Vielleicht können wir die kommende Nacht dort stehen und noch ein paar gemütliche Stunden am Wasser verbringen. Das schöne Wetter lädt dazu gerade ein. Also biegen wir ab und überqueren die den Fluss. Drüben angekommen müssen wir jedoch feststellen, dass Wohnmobilisten dort nicht willkommen sind.
Als geht es wieder zurück über den Fluss und weiter auf der D 703. Die bringt uns als nächstes nach La Roque-Gageac. Die alten Häuser wachsen vom Flussufer bis hoch in eine steile Felswand. Welch eine schöne und markante Silhouette. Da wir La Roque-Gageac vor einigen Jahren schon besucht haben fahren wir heute weiter.
Les-Eyzies-de-Tayac
Wir erinnern uns aber an einen sehr schön gelegen Platz in Les-Eyzies-de-Tayac direkt am Ufer der Vézére. Den beschließen wir anzusteuern. In Saint-Cyprien biegen wir rechts ab und verlassen die Dordogne. Es geht nochmal bergauf in eine Hügellandschaft mit Weiden und keinen Weilern. Dann führt die Straße durch einen dichten Wald wieder hinunter bis an die La Beune. Und dort, wo das Flüsschen in die Vézére mündet, liegt ein uralter Siedlungsplatz aus dem Les-Eyzies-de-Tayac wurde.
Markant sind dort in der Avenue Préhistorie die Sandsteinfelsen, die über den Häuser hängen. Manche der Gebäude von ihnen scheinen geradezu in sie hineingewachsen zu sein. Wir waren vor Jahren schon einmal hier hatten Les-Eyzies-de-Tayac als Teil des „Tales der Menschheit“ kennengelernt. In der Gegend gibt es weltberühmte Siedlungspuren die mehr als 20.000 Jahre alt sind. Die bedeutendsten sind die Wandmalereien in der Höhle von Lascaux, keine 20 Kilometer Luftlinie von hier.
Diesen Spuren werden wir heute aber nicht mehr nachgehen. Wir fahren zu der schön gelegenen Stellplatzanlage unten am Fluss. Wir parken gegen 17:15 Uhr ein. Der Platz ist durch Baumreihen und Hecken unterteilt und bietet keinen besonderen Komfort. Wir legen erstmal eine Pausen ein, dösen und lesen ein wenig.
Im La Paillote und Wetterumbruch
Als sich der Hunger meldet, machen wir uns noch einmal auf den Weg. Nur 200 Meter weiter, an einer Kanustation gibt es das La Paillote. Im Charakter einer Strandbar eingerichtet, gibt es hier nicht nur ein kühles Bier und coole Drinks, sondern auch eine Speisekarte, die neben den üblichen Pommes auch regionale Gerichte führt, die sehr, sehr lecker sind.
Als wir statt und entspannt sind geht es zurück zum Wohnmobil. Auf dem Weg bestaunen wir den kleinen Bambuswald am Ufer der Vézére, Bestimmt drei bis vier Meter hoch stehen hier die monumentalen Süßgräser dicht an dicht. Sie sind eher ein Baum als ein Gras. Die Stengel sind hart wie Stein und messen bis zu acht Zentimeter im Durchmesser. Wir sind durchaus versucht einen zu Fällen und mitzunehmen. Aber wie sollten wir ein solches Monster transportieren? Und was sollte man damit anfangen?
So lassen wir den kleinen exotischen Wald am Ufer der Vézére in Ruhe. Am Wohnmobil holen wir unsere Campingstühle raus und verbringen einen ruhigen Abend. Dann schlägt das Wetter um. Kühle Böen rauschen durch die Bäume ringsum. Dunkle Wolken ziehen im letzten Licht der Abenddämmerung heran, erste Regentropfen gehen nieder. Wir ziehen uns in unsern Van zurück.