Arromanches-les-Bains – Cabourg – Rouen

Arromanches-les-Bains

Der Morgen des 13. Juli gestaltet sich noch unangenehmer als der gestrige Tag. Bereits um 05:00 Uhr beginnt der Lärm, der uns aus dem Schlaf reißt. Diesmal ist es nicht ein Rasenmäher, der knatternd die Stille zerreißt. Vielmehr braust zu dieser frühen Stunde der Müllwagen heran, um polternd die großen Abfallcontainer zu entleeren.

Ab ca. 06:30 verlassen unsere Nachbarn nach und nach den Platz auf der Suche nach neuen Zielen. Auch das Starten der Motoren und das Rangieren der Camper auf dem Platz trägt nicht zur morgendlichen Ruhe bei. So verbringen wir die ersten Stunden nach Sonnenaufgang ein wenig genervt im Bett. Frühes Aufstehen würde sich für uns aber auch nicht lohnen. Wir möchten uns gerne noch die Multivisionsshow im 360°-Kino gleich nebenan anschauen. Die erste Vorstellung dort beginnt aber erst um 10:00 Uhr.

So verbringen wir den Morgen mit einem ausgiebigen Frühstück oben auf den Klippen von Arromanches mit Blick auf das Meer. Gegen 09:00 Uhr erreichen wir telefonisch unseren Wohnmobilverleiher. Wir berichten von dem Steinschlag, den wir uns gestern eingefangen haben. Er ist froh, dass wir nicht in eine Werkstatt müssen und die Fahrt Richtung Heimat fortsetzen können. Damit das so bleibt, rät er uns, den Schaden mit Tesafilm abzukleben. Dies sei wohl eine gute Methode, um einen vom Einschlagkrater ausgehenden Riss zu vermeiden. Das leuchtet uns ein. Leider haben wir keinen Tesafilm dabei. Mal sehen, wie wir dieses Problem zeitnah lösen können.

Kriegsgerät und ein Blick auf Arromanches

Nach dem Frühstück machen wir uns zu Fuß auf den Weg zum Kino gleich nebenan. Links und rechts des Weges ist diverses Kriegsmaterial ausgestellt, das am D-Day, dem Tag der Landung der alliierten Truppen unten am Strand, eine Rolle spielte. Dazu gehören die sogenannten „Rommelspargel“. Das sind Ungetüme aus riesigen stählernen Spießen, die kurz unter der Wasserlinie aufgestellt wurden, um den Landungsbooten und Schwimmpanzern der von der See her angreifenden Truppen den Bauch aufzureißen. Auch Landungsbrücken aus Stahl wie die die Britten hier benutzten werden präsentiert.

Außerdem bietet sich ein schöner Blick auf das unten im Tal gelegene Arromanches-les-Bains. Der heute keine 500 Seelen zählende Ort spielte beim D-Day eine Schlüsselrolle. Er gehörte zum Landungsabschnitt Gold Beach. Dort errichteten die anlandenden britischen Truppen einen ersten Brückenkopf, da der Ort als Standort für einen der beiden sogenannten Mulberry-Häfen ausgewählt wurde. Über diese künstlichen Häfen aus riesigen Stahlbetonelementen sollte nach dem D-Day der Großteil der Männer und des Materials der Alliierten an Land gebracht werden.

  • Arromanches
  • Rommelspargel - Arromanches
  • Landungsbrücke - Arromanches

Arromanches 360

Das moderne Rundkino Arromanches 360 ist wohl architektonisch von den Bunkeranlagen inspiriert, die die Deutschen an den Küsten der Normandie von 1943 bis 1944 in Stahlbeton gegossen haben. Ähnlich wie die Geschützbunker damals scheint der Bau zum Teil in der Erde versenkt zu sein. So hat man den Eindruck ein gut geschütztes unterirdisches Gebäude zu betreten. Obenauf eine Plattform, die als Aussichtspunkt mit Panoramablick genutzt werden kann.

Arromanches 360
Arromanches 360

Im Kino angekommen, erwerben wir für 7,00 € pro Person Tickets für die Vorstellung um 10:20 Uhr. Zu unserer Überraschung werden wir an der Kasse mit einem “Grüß Gott” und in fließendem Deutsch begrüßt. Deutschsprachiges Personal ist wohl angesichts des Themas hier eine unabdingbare Notwendigkeit. Die kurze Wartezeit verbringen wir in einer Art Foyer das auch als Ausstellungsraum genutzt wird. Nach ca. 15 Minuten dürfen wir den Kinosaal betreten. Dieser hat so gar nichts mit einem gewöhnlichen Kino gemein. Der Raum ist rund, und an den uns umgebenden Wänden sind neun Großbildschirme angeordnet. Die folgenden 20 Minuten bewegter Bilder laufen als ein Panorama ab, das uns vollständig umgibt. Wir können uns dabei frei im Raum bewegen.

Der Film – 100 Tage Schlacht um die Normandie

Das, was vor, neben oder hinter uns abläuft, ist keine leichte Kost. In nur 20 Minuten wird die 100 Tage dauernde Schlacht um die Normandie vom 6. Juni bis zum Spätsommer 1944 dargestellt. Das Material stammt aus britischen, kanadischen, deutschen, amerikanischen und französischen Filmarchiven und wurde effektvoll zusammengeschnitten. Es wird gestürmt, geschossen, gelitten und gestorben. Es geht um die Vorbereitungen der Alliierten auf den Britischen Inseln, die stürmische Überfahrt der fast 7.000 beteiligten Schiffe, den Sturm auf die Strände der Normandie und die Kämpfe im Landesinneren.

Der Schrecken der kriegerischen Handlungen und das Leid der Zivilbevölkerung gehen dem Zuschauer bis ins Mark. Das, was wir sehen, ist kein wohl inszenierter Spielfilm, bei dem die Schauspieler nach dem Drehtag in ihre wohlbehüteten Quartiere zurückkehren können. Auf diesen Bildern sterben echte Menschen, sind unwiederbringlich verloren, und meist noch so jung, dass wir es uns kaum vorstellen können.

Nach 20 Minuten ist die Schlacht für uns vorbei, und wir sind uns sicher, dass uns schon eine einzige Minute eines solchen Erlebens völlig überfordert hätte.

Die Sache mit dem Tesafilm

Nach der Vorführung schlendern wir noch durch den Museumsshop und nehmen als Andenken eine Nachbildung der bekannten D-Day-Klicker mit. Dieses kleine Utensil hatten die Männer der bereits in der Nacht abgesetzten US-Luftlandetruppen bei sich. Mit einem Daumendruck konnte ein Klickgeräusch erzeugt werden. Dies sollte den Fallschirmspringern nach ihrer Landung im Dunkeln als Erkennungszeichen dienen. Das dies nicht immer klappte zeigt eine spannende Szene aus dem monumentalen Spielfilm “Der längste Tag“.

Beim Bezahlen an der Kasse bitten wir die Kassiererin um ein Stück von der Rolle Tesafilm, die in ihrer Nähe steht. Das soll den Steinschlag in der Frontscheibe unseres Autos stabilisieren – so unser Plan. Die Dame an der Kasse versteht ob unseres mangelhaften Französisch allerdings nur „Bahnhof“ und hat keine Ahnung, was wir von ihr wollen. Wir versuchen es mit Gesten und Pantomime, doch auch unser radebrechendes Englisch hilft nicht weiter. Hätten uns Koryphäen des feinen deutschen Humors wie Loriot oder Hape Kerkeling bei unserem Tun beobachten können, wäre daraus sicherlich ein Sketch entstanden, der das Zeug hätte dem Zuschauer Lachtränen zu entlocken.

Als der nette Mann mit dem bayerischen Dialekt vom Ticketschalter, wohl auf dem Weg in seine Pause, vorbeikommt, werden wir erlöst. Er übersetzt unser Anliegen schnell ins Französische, und sofort wird uns bereitwillig geholfen. Stolz verlassen wir das Arromanches 360° mit vier Zentimetern transparentem Tesafilm.

Zurück am Wohnmobil wird der Tesafilm rasch angebracht, und wir können die nächste Etappe unserer Reise starten. Diese soll uns nun ein gutes Stück weiter in Richtung Heimat bringen. Denn in drei Tagen, am Samstag um 10:00 Uhr, muss unser Auto, innen gereinigt und geputzt, wieder auf dem Hof unseres Wohnmobilverleihers stehen. Bis dahin haben wir noch gute 1.000 Kilometer vor uns. Diese wollen wir jedoch nicht durchfahren, sondern uns noch ein wenig die Normandie anschauen.

Entlang der Küste bis zur Orne

Hier ist der korrigierte Text mit den französischen Eigennamen erhalten:

Heute interessieren uns in erster Linie die Küsten. Wir möchten auch noch ein hübsches Plätzchen am Strand finden, wo wir ein bis zwei Stunden lang Sonne und Meer genießen können. So geht es zunächst auf der D 514 immer an der Küste entlang. Hinter Asnelles führt die Straße durch die Felder oben auf den Klippen, und hinter Mont Fleury verläuft sie mehr und mehr auf Meeresniveau in der Nähe der Strände. Hier und da gibt das dichte Buschwerk links der Straße den Blick auf Stranddünen frei.

Wir passieren die quirligen Badeorte Courseulles-sur-Mer und Bernières-sur-Mer. Auch diese standen im Fokus der Ereignisse rund um den 6. Juni 1944. Dort, am Strandabschnitt Juno Beach, waren es kanadische Truppen, die den deutschen Besatzern zu Leibe rückten. Auch hier ist das Gedenken an die Geschehnisse rund um den D-Day allgegenwärtig. Am stärksten wohl in Courseulles-sur-Mer, wo es mit dem Centre Juno Beach und dem Mémorial de Juno Beach zwei besondere Orte der Erinnerung gibt.

  • Courseulles-sur-Mer
  • Bernières-sur-Mer

Über die Orne

Ab Saint-Aubin-sur-Mer scheint uns die D 514 mehr und mehr durch die dicht bebaute Küstenorte zu verlaufen. Diese ziehen sich wie an einer Perlenschnur fast ohne Unterbrechung bis Ouistreham an der Mündung der Orne dahin. Um schneller voranzukommen, weichen wir ins Landesinnere aus und halten auf Douvres-la-Délivrande zu. Dort zwingt uns eine Umleitung auf eine Nebenstrecke. Über diese erreichen wir Bénouville, wo wir auf der Pegasus-Brücke, einer modernen Wippbrücke aus dem Jahr 1994, den Caen-Kanal überqueren. Ihr Vorgängerbau stammte aus dem Jahr 1935. Sie spielte am D-Day eine wichtige Rolle und wurde am 6. Juni von britischen Luftlandetruppen unbeschadet erobert. Diese trugen einen Pegasus auf ihren Schulterstücken, wodurch die Brücke zu ihrem heutigen Namen kam.

Pegasusbrücke
Pegasusbrücke

Kurz danach überqueren wir die Orne und halten uns wieder in Richtung Meer. Die Strände des D-Day lassen wir nun hinter uns. An der Orne-Mündung lag die östliche Grenze des riesigen Landungsgebietes, das sich von Ouistreham bis zum Omaha Beach bei Vierville-sur-Mer im Westen erstreckte.

Bisher hatten wir entlang der Küste kein Glück bei unserer Suche nach einer Badestelle. Zunächst waren uns die Strände zu weit von der Straße entfernt, und später in den Badeorten konnten wir keine geeigneten Parkmöglichkeiten finden.

So hoffen wir, hinter Ouistreham mehr Glück haben. Und tatsächlich, nur wenige Kilometer weiter, kurz hinter Merville-Franceville-Plage, finden wir einen komplett freien Parkplatz gleich hinter dem Strand. Dass diesen jedoch bei dem schönen Wetter niemand nutzt, macht uns ein wenig skeptisch. Bei genauerem Hinsehen erfahren wir, dass dieser Platz für einen ganz besonderen Zweck reserviert ist: Hier entladen die Freunde des Trabersports ihre sicher nicht gerade günstigen Rennpferde, um diese vor den Sulky gespannt am wenige Meter entfernten Strand zu trainieren.

Parken nur für Traber
Parken nur für Traber

Cabourg

Also geht unsere Suche weiter. Kurzerhand biegen wir links in die Nebenstraßen von Cabourg ab und finden in der Rue Léon Pican ein schattiges Plätzchen für unser Auto. Zu Fuß geht es keine 150 Meter die Rue de Rouen hinauf, und wir stehen auf dem Plage de Cabourg, unterhalb einer beeindruckenden Villa oben auf den Dünen. Rechts von uns, am Strand, die moderne Skyline von Cabourg mit der Strandpromenade, dem Casino und den seltsam seelenlosen, modernen Hotel- und Appartementanlagen. Links erstreckt sich ein weiter, offener Strand mit einer eher lockeren Bebauung oben in den Dünen.

Jetzt, gegen 13:00 Uhr, wird der Strand wegen der auflaufenden Flut immer schmaler. Eine gute Gelegenheit, uns in die Fluten zu stürzen. Schnell wird uns jedoch klar, dass die Wasserqualität dort der Schönheit des Strandes deutlich nachsteht. Tang, Federn, Plastikmüll und Salatblätter treiben im Wasser. Es gibt zudem andere Substanzen, die wir lieber nicht näher in Augenschein nehmen. All das treibt an der Wasseroberfläche und trübt das Vergnügen beim Schwimmen doch erheblich. So verlassen wir das Wasser nach relativ kurzer Zeit und verbringen lieber noch ein Stündchen am Strand, wo wir uns die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Dann haben wir genug Sonne getankt.

  • Auf der Düne am Plage Cabourg
  • Plage Cabourg
  • Plage Cabourg
  • Villa am Plage Cabourg

Es geht wieder die steile Düne hinauf und weiter zum Wohnmobil. Wir starten in Cabourg gegen 14:30 Uhr und nehmen Kurs auf Rouen. Wir haben uns die Stadt an der Seine für unsere vorletzte Nacht in Frankreich ausgesucht und wollen uns morgen die gotische Kathedrale ansehen.

Weiter nach Rouen

Die Fahrt dorthin ist unspektakulär und führt uns über die D 400 zur A 13, auf die wir an der Anschlussstelle Dozulé auffahren. Die 88 Autobahnkilometer kosten uns 11,60 Euro, die an zwei Mautstellen zu entrichten sind. In die Stadt geht es dann über die N139 und die nun doch spektakulär anmutende Pont Gustave Flaubert. Sie kann ihren vierspurigen Mittelteil an zwei 86 Meter hohen Pylonen so weit anheben, dass eine Durchfahrtshöhe von 55 Metern entsteht. Sie gilt als die höchste Hubbrücke Europas. Dank ihr haben auch Ozeanriesen und Großsegler die Möglichkeit, von Rouen die Seine weiter aufwärts zu befahren. Letztere werden alle fünf Jahre zur sogenannten Armada, einer der größten Schiffsschauen Europas, in Rouen begrüßt. Der Hubmechanismus oben auf den Pylonen erinnert sehr an alte Hafenkräne. Sicher eine Reminiszenz an die große Hafentradition von Rouen.

Von der Brücke aus können wir eigentlich schon unser Tagesziel sehen: die Marina von Rouen. Sie befindet sich in einem ehemaligen Becken des Hafens von Rouen, gleich links vor uns. Um dorthin zu gelangen, müssen wir jedoch eine Schleife durch das Schnellstraßensystem von Rouen drehen.

Rouen

Hier ist der korrigierte Text mit den französischen Eigennamen erhalten:

Gegen 16:10 Uhr parken wir auf dem Wohnmobilstellplatz an der Marina von Rouen ein. Auch dort haben die Freunde des Wassersports erkannt, dass sie in gewisser Weise in einer Seelenverwandtschaft mit dem fahrenden Volk der Wohnmobilisten leben und diese gerne als Gäste empfangen. Außerdem spült diese Symbiose auch ein wenig Geld in die Kassen der Hafenbetreiber – eine von uns immer wieder gerne genutzte Win-Win-Situation.

Wir unternehmen heute nicht mehr viel, denn es ist inzwischen unerträglich heiß geworden. Ich nutze nur den Carrefour City am ehemaligen Dock 76 für einen kleinen Einkauf. Ansonsten ist Abhängen angesagt: Die Batterien für die Kameras müssen aufgeladen, Bilder von den Aufnahmegeräten auf Datenträger überspielt und die Ereignisse der letzten drei Tage notiert werden. Wir essen draußen und genießen, wie die Sonne hinter den Bergen von Rouen ein spektakuläres Schauspiel bietet. Wie gut es uns geht, wird uns erst am späteren Abend bewusst, als die deutschen Medien über den ersten Jahrestag der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen berichten.

Marina Rouen
Marina Rouen
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