Bevor wir heute einen großen Schritt Richtung Heimat machen wollen ein wenig die Altstadt von Rouen erkunden. Besonders freuen wir uns auf die große Cathédrale Notre-Dame de Rouen. Aber auch auf die Gassen der Altstadt und das Ufer der Seine sind wir gespannt. Am Nachmittag geht es dann 470 Autobahnkilometer durch die Picardie und die Champange nach Metz.

Rouen

Das Frühstück gibt es heute gegen 08:30 Uhr vor dem Wohnmobil. Ein herrlicher Frühsommertag kündigt sich am Ufer der Seine in Rouen an. Manche unserer Nachbarn auf dem Wohnmobilstellplatz an der Marina von Rouen sind bereits abgereist.

Wir lassen es hingegen ruhig angehen und wollen die alte Hafenstadt an der Seine erkunden. Gegen 09:30 Uhr machen wir uns mit den Rädern auf den Weg. Vom Stellplatz aus erreichen wir schnell die alten Hafenkais am rechten Ufer der Seine. Heute hat sich das Areal in eine einladende Flanier- und Touristenmeile verwandelt. Die alten Hafenschuppen wurden nach modernsten Standards renoviert – nicht immer mit Rücksicht auf den Denkmalschutz.

In den Schuppen sind nun Bars, Restaurants, Bistros, Sportstudios und mehr untergebracht. Rechts von uns fließt die Seine, die sich hier, 88 Kilometer von ihrer Mündung entfernt, zu einem beeindruckenden Strom entwickelt hat. An den Kais liegen einige Ausflugsschiffe, und auch ein Flusskreuzfahrtschiff hat angelegt. Es steht mit dem Bug stromaufwärts – vermutlich auf dem Weg nach Paris.

Seine-Ufer in Rouen
Seine-Ufer in Rouen

Hinter den Schuppen wurde das ehemalige Pier-Gelände teils mit modernen Wohn- und Geschäftsgebäuden bebaut, teils sind alte Lagerschuppen erhalten geblieben und haben nach ihrer Renovierung neue Bestimmungen gefunden. Wir radeln am Ufer der Seine entlang durch diese interessante Stadtlandschaft, immer mit Blick auf den breiten Fluss und die imposanten Brücken, die ihn überspannen. An der Pont Jeanne d’Arc verlassen wir die Kais. Dank eines Lifts direkt an der Brücke müssen wir unsere Räder nicht mühsam über Treppenstufen hinauftragen.

Von dort sind es nur noch wenige Straßenzüge bis zur Cathédrale Notre-Dame de Rouen.

Cathédrale Notre-Dame de Rouen

Cathédrale Notre-Dame de Rouen
Cathédrale Notre-Dame de Rouen

Als wir den Place de la Cathédrale erreichen, sind wir überwältigt vom Anblick der imposanten Westfassade der Cathédrale Notre-Dame de Rouen. Die mächtigen Türme im Norden und Süden, das reich verzierte Mittelportal mit der eindrucksvollen Fensterrosette – alles beeindruckt uns zutiefst und lässt uns staunen. Mit über 61 Metern Breite besitzt die Kathedrale die breiteste Westfassade aller Kirchen in Frankreich.

Die heutige Fassade stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert. Erst kurz zuvor war der Südturm errichtet worden. Bis dahin hatte die Westfassade nur einen Turm, ähnlich wie die Kathedrale von Auxerre, die wir im letzten Jahr besichtigt haben. Doch in Rouen wollte man sich mit diesem Ungleichgewicht nicht abfinden. Die Kirche sammelte eifrig Spenden – als Dank durften die Gläubigen in der Fastenzeit Milchprodukte verzehren. So erhielt der Turm seinen Namen: Tour de Beurre (Butter-Turm). 1506 wurde er vollendet. Doch das gewaltige Gewicht des neuen Turms brachte statische Probleme mit sich. Das Mittelportal wurde beschädigt und musste von 1508 bis 1511 erneuert werden.

  • Westfassade - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Mittelportal - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Figurengruppe links vom Hauptportal - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Tympanon über dem Hauptportal - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Figurengruppe rechts vom Hauptportal - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Tympanon Detail - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Archivolten - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Westfassade Ausschnitt - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Tympanon Nebenportal - Cathédrale Notre-Dame de Rouen

Schäden und Zerstörungen

Die Cathédrale Notre-Dame de Rouen hat im Laufe der Jahrhunderte viele Schäden erlitten. Während der Hugenottenkriege 1562 wurden die Statuen der Bischöfe enthauptet und die Gräber von Herzögen und Kardinälen zerstört. 1683 fegte ein Hurrikan über die Stadt und ließ drei Türme einstürzen. Während der Französischen Revolution wurde die Kathedrale als Konzertsaal und Heuboden zweckentfremdet.

Im Jahr 1822 schlug ein Blitz in den Turm über der Vierung ein. Die hölzerne Konstruktion geriet in Brand, die verkohlten Balken stürzten ins Kirchenschiff, und die riesige Laterne musste später als Stahlkonstruktion neu errichtet werden.

Die schwersten Schäden erlitt die Kathedrale jedoch im Zweiten Weltkrieg. In der Nacht vom 18. auf den 19. April 1944 trafen sieben Bomben das Bauwerk, zerstörten die Seitenschiffe und fast alle Kapellen an der Südseite. Die Explosionen drückten die großen Fensterrosetten des Querschiffs nach außen. Während der „Roten Woche“ im Juni 1944 brannte der Nordturm der Westfassade, die Glocken stürzten herab, und das Feuer griff auf das nördliche Seitenschiff und die Bibliothek über. Die Wiederherstellung der Kriegszerstörungen dauerte über ein Jahrzehnt – 1956 konnte die Kathedrale neu geweiht werden.

Auch in jüngerer Zeit erlitt sie Schäden: 1999 ließ ein Sturm erneut den Glockenturm einstürzen, dessen Spitze stürzte in den Chor und beschädigte das prächtige Chorgestühl.

Im Inneren der Kathedrale

Beim Betreten der Kathedrale sind wir überwältigt von ihrer Weite. Trotz laufender Restaurierungsarbeiten und eines eingerüsteten Chors entfaltet sich ein beeindruckender Raum. Ohne die Gerüste könnten wir über 100 Meter in die Tiefe des Kirchenschiffs blicken und die gewaltigen Dimensionen des Innenraums voll erfassen.

Langhaus

Das Mittelschiff erstreckt sich über 11 Joche und erreicht eine Länge von 60 Metern. Das Kreuzgewölbe ragt 28 Meter in die Höhe und wird von massiven Pfeilern getragen. Das Mittelschiff ist schlicht gehalten, nur im oberen Bereich der Obergaden findet sich dezente Ornamentik. Kunstwerke und farbenprächtige Glasfenster zieren hingegen die Seitenkapellen an der Südseite. Jetzt, an diesem sonnigen Vormittag, flutet das Licht durch die hohen Fenster und taucht den Innenraum in ein sanftes Farbenspiel.

Langhaus – Cathédrale Notre-Dame de Rouen
Vierung und Chor

Besonders beeindruckend ist die Vierung, an der sich die beiden Seitenschiffe treffen. Mit einer Länge von fast 54 Metern ist das Querschiff kaum kleiner als das Langhaus. Leider ist der Blick in den Chor durch die Restaurierungsarbeiten versperrt. Dafür ist ein besonderes Highlight im Nordflügel des Querhauses sichtbar: die prachtvolle Treppe der Bibliothekare. Sie wirkt wie aus einem Märchen.

  • Vierung - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Querhaus - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Treppe der Bibliothekare - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Treppe der Bibliothekare, Detail - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Chor - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Kapelle der heiligen Jungfrau - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Fensterrosette über dem Nordportal - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Christusfigur - Cathédrale Notre-Dame de Rouen

Das Südfassade

Als wir wieder nach draußen kommen nehmen wir uns die Zeit noch eine Blick auf die die Südfassade Kathedrale zu werfen.

  • Saint-Étienne-Portal Detail - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Saint-Étienne-Portal Detail
  • Dachreiter auf dem Chor - Cathédrale Notre-Dame de Rouen

Weiter durch Rouen

Nach unserem Besuch der Kathedrale radeln wir weiter durch die Altstadt von Rouen. Vorbei an der Südfassade erreichen wir den Place Barthélémy, der von wunderschönen Fachwerkhäusern gesäumt wird. An der Ostseite ragt die Église Saint-Maclou empor – kleiner als die Kathedrale, aber nicht weniger beeindruckend. Leider ist sie heute geschlossen. Ein vierbeiniger Stadtbewohner nutzt jedoch den kleinen Brunnen an der Nordwestecke, um sich an diesem heißen Tag abzukühlen.

  • Place Barthélémy Nordseite - Rouen
  • Place Barthélémy Südseite - Rouen
  • Place Barthélémy Brunnen - Rouen
  • Église Saint-Maclou - Rouen
  • Hauptportal Église Saint-Maclou - Rouen
  • Tympanon Église Saint-Maclou - Rouen

Wir halten uns wieder nach Westen und haben in der Rue Saint Romain nochmal ein Begegnung mit der Cathédrale Notre-Dame de Rouen. Ein aufwendig gestaltetes gotisches Tor für in einer Hof, der direkt vor dem Nordportal des Querschiffes und der Bibliothek der Kathedrale endet.

  • Tor zum Hof der Bibliothek - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Nordportal - Cathédrale Notre-Dame de Rouen
  • Fensterrosette über dem Nordportal - Cathédrale Notre-Dame de Rouen

Über die Rue de la Croix de Fer gelangen wir zur Rue Saint-Nicolas, wo wir uns in einer kleinen Boulangerie mit frischem Baguette und süßen Köstlichkeiten eindecken.

Unser Weg führt uns vorbei am imposanten Palais de Justice in der Rue aux Juifs und schließlich zur Rue du Gros-Horloge, wo wir den prachtvollen Uhrenturm von Rouen bewundern. Über den Place de la Cathédrale kehren wir an die Seine zurück. Von der Pointe Boieldieu aus genießen wir den Blick auf den breiten Strom.

  • Rue Saint-Nicolas - Rouen
  • Uhrenturm - Rouen
  • Rue du Gros Horloge - Rouen
  • Tourist Information am Place de la Cathédrale - Rouen
  • Quais - Rouen

Gemächlich radeln wir entlang der Promenade am rechten Flussufer zurück zu unserem Wohnmobil. Ein passendes Restaurant für das Mittagessen finden wir nicht, doch eine kleine Pause mit Blick auf die Seine und das Stadtpanorama macht diesen Augenblick perfekt.

Ein kleines Drama im Hafen

Wieder am Wohnmobil angekommen, beginnen wir, unsere Sachen zusammenzupacken. Wir wollen heute noch weiter Richtung Deutschland. Währenddessen ereignet sich im Jachthafen ein kleines Drama. Ein Skipper will sein Motorboot auf einem Trailer zu Wasser lassen. Dazu schiebt er den Bootsanhänger auf der Anhängerkupplung eines offenbar nagelneuen schneeweißen Peugeot 308 die Sliprampe hinunter. Irgendetwas geht schief. Plötzlich stehen das Boot mit dem Trailer und der Peugeot im Wasser. Das Wasser reicht dem Auto bis zur Heckscheibe. Welch ein Ärgernis!

Schnell ist jemand mit einem Allrad-Pickup zur Stelle, um das Gespann zu retten. Trotzdem dauert es keine zehn Minuten, bis die Feuerwehr anrückt, um eventuell ins Wasser austretendes Öl zu bekämpfen. In der Haut des Skippers möchte ich jetzt nicht stecken. Was mag der sich ärgern, zumal heute auch noch der französische Nationalfeiertag ist!

Wir lassen den Armen in Ruhe, zumal sich inzwischen ausreichend Gaffer eingefunden haben. Lieber nutzen wir noch einmal die Entsorgungsstation auf dem Platz und machen uns anschließend auf den Weg.

Weiter nach Westen

Gegen 13:30 Uhr brechen wir dann auf. Noch einmal geht es durch den dichten Verkehr von Rouen am Ufer der Seine entlang. Dann durch den Tunnel de la Grand’Mare in Richtung der Autobahn. Die nun folgenden 473 Kilometer bis an die Moselle fahren wir durch. Auf den Autobahnen A28 – der Autoroute du Pique-Prune – und A29 – der Autoroute des Estuaires – geht es bis an den südlichen Autobahnring von Amiens. Linker Hand können wir kurz den hoch aufragenden Vierungsturm und das gewaltige Kirchenschiff der Kathedrale von Amiens ausmachen. Ein Ort, den wir sicher noch besuchen werden.

Heute geht es aber weiter nach Osten. Auf der A29 bis Saint-Quentin und auf der A26 – der Autoroute des Anglais – bis an den Stadtrand von Reims. Dort wechseln wir auf die von Paris kommende A4, die die Hauptstadt mit Metz, dem alten Hauptort von Lothringen, verbindet.

Die Fahrt von Rouen bis dorthin ist wenig spektakulär. Wir durchqueren Landschaften mit so klangvollen Namen wie Picardie oder Champagne, empfinden das Landschaftsbild aber eher als gewöhnlich. Meist sind es weite, hügelige Hochflächen, die wir durchfahren, intensiv landwirtschaftlich genutzt. Der Getreideanbau scheint im Vordergrund zu stehen, und in der Champagne natürlich der Weinbau.

Orte des Schreckens

Dann weisen die Schilder an manchen Autobahnabfahrten auf Orte hin, die für immer mit den Schrecken des Ersten Weltkriegs verbunden sein werden. So führt die ein Stück hinter Amiens die unserem Weg kreuzende A1 durch die Felder der Schlacht an der Somme. In dieser verlustreichsten Schlacht des Krieges wurden auf beiden Seiten über eine Million Männer getötet, verwundet oder vermisst. Welch ein Grauen, welch ein Leid!

Und dann geht es noch an Verdun vorbei. Der Name der Kleinstadt wurde zum Synonym für die größte Materialschlacht der Geschichte. Dieses sinnlose Inferno tobte 302 Tage – vom 21. Februar 1916 bis zum 19. Dezember 1916. Auch dort waren die Verluste an Menschen gewaltig. Genau wird man das nie ermitteln können. Schätzungen gehen aber von 714.000 bis 974.000 Soldaten aus – von den enormen materiellen Verlusten einmal ganz abgesehen. Mit den so verlorenen Mitteln hätten die Kriegsparteien Bildung und Wissenschaft voranbringen können.

Metz

Mit diesen Gedanken erreichen wir die Moselle und Metz. Als wir die Autobahn verlassen, haben wir 470 Kilometer Autobahn hinter uns. An drei Mautstellen wurden 55,60 € fällig – zwölf Cent pro Kilometer also. Beim Sprit hatten wir noch eine Begegnung mit dem Spitzenpreis der Reise. Für satte 2,14 € je Liter flossen 64,84 Liter Diesel in den Tank. Macht 139,34 € – inklusive Mehrwertsteuer natürlich. Die beträgt dort übrigens 20 Prozent. So gesehen sollten wir in Deutschland nicht klagen.

Wir kurven ein wenig durch die Altstadt, bis wir den wunderbar gelegenen Stellplatz in einem kleinen Park direkt am Ufer der Moselle erreichen. Als wir den Motor abstellen, stehen wir direkt am Ufer des Flusses mit einem schönen Blick auf das Wasser – es geht auf 18:30 Uhr zu. Die Parkgebühr von 4,00 € wird nicht fällig, da heute Feiertag ist, erläutert uns ein netter Nachbar. Na dann ist ja das eine Prozent Mehrwertsteuer mehr im Vergleich zu Deutschland beim Tanken ist heute wieder eingespart.

Um die berühmte Kathedrale von Metz zu besuchen, ist es nun zu spät. Und ehrlich gesagt bin ich nach dem Autobahnmarathon am Nachmittag ein wenig platt. Daher suchen wir uns ein nettes Bistro für ein kleines Abendessen.

Bistro Le Saint-Marcel und der Tagesausklang

Zehn Minuten Fußweg vom Stellplatz entfernt finden wir – gleich an der Pont Saint-Marcel – das nette, traditionelle Bistro Le Saint-Marcel. Für 69,90 € gibt es dort für uns ausreichend Speis und Trank in guter Qualität. Außerdem können wir an diesem schönen Sommerabend draußen, fast am Ufer der Moselle, sitzen. Das tut uns nach den vielen Stunden im Auto wirklich guttut. Auch können wir beobachten, wie flexibel der Service unseres Gastgebers ist. Plötzlich kommt die Kellnerin mit einem voll beladenen Tablett aus dem Bistro und eilt zum Flussufer. Dort hatte gerade ein Motorboot festgemacht. Dessen Besatzung nimmt mit großem Hallo das Tablett entgegen, bezahlt – und rauscht davon. Wunderbar!

Zurück am Wohnmobil sitzen wir noch lange draußen, schauen auf den Fluss und lassen die letzten 30 Tage ein wenig Revue passieren, während wir bei einer Flasche Wein ein Fazit unserer Reise ziehen. Hin und wieder unterbricht das Quengeln eines Kleinkindes die Idylle. Es gehört zu unserem Nachbarn, einem jungen Paar, vielleicht Mitte zwanzig. Während sie sich redlich und ein wenig genervt bemüht, das Kleine zu beruhigen, sitzt er vor seinem Wohnmobil. Dabei schleift er von Hand hingebungsvoll ein teures Messer an einem dieser in Mode gekommenen Steine mit Diamantbesatz – als wolle er damit Atome spalten. Na ja, jedem sein Hobby. Irgendwie scheint sein Tun schon ein wenig meditativ zu sein.