Mit den Rad geht es bei mediteraner Hitze durch schattige Wälder nach Soulac-sur-Mer.

Nach den 1.614 Kilometern der letzten drei Tage, die uns von Thüringen an den Rhein und weiter an der Auvergne vorbei bis an den Atlantik bei Montalivet-les-Bains führten, wollen wir es heute ruhiger angehen lassen. Wir möchten einen Tag bleiben, dabei aber nicht ganz zu Faulenzern werden. So schlafen wir aus und gönnen uns ein ausgiebiges Frühstück hinter den Dünen des Plage Vensac.

Radtour nach Soulac-sur-Mer

Dann machen wir die Räder startklar. Wir haben eine kleine Tour in Richtung Soulac-sur-Mer geplant. Gegen 10:30 Uhr starten wir bei bestem Wetter Richtung Norden. Zunächst folgt die Straße den Stranddünen, doch dann versperrt die riesige Ferienanlage Euronat den direkten Weg.

Euronat

So müssen wir landeinwärts nach Osten abbiegen. Von der Anlage selbst ist, abgesehen vom Zaun, kaum etwas zu sehen. Die Gebäude liegen tief im Wald aus Seekiefern, in den das Ferienzentrum hineingebaut wurde. Und das hat seinen guten Grund: Euronat ist eines der größten FKK-Feriendörfer in Frankreich. Es bietet den “Naturalisten” Mietunterkünfte, einen Campingplatz und ein Thalassozentrum. Hinzu kommt ein “Dorf” mit verschiedensten Einkaufsmöglichkeiten, Bars, Bistros und Restaurants. Dazu gibt es natürlich den grandiosen Strand von über einem Kilometer Länge, der – ebenso wie die gesamte Anlage – vor den Blicken Außenstehender abgeschirmt ist.

Das einzige, was wir hinter dem Zaun gut erkennen können, ist ein offenbar frisch aufgeschütteter Erdwall von etwa zwei Metern Höhe, der sich wohl um die gesamte Anlage zieht. Doch dieser hat wenig mit dem erforderlichen Maß an Diskretion zu tun. Vielmehr dient er einem handfesten Zweck: Ein Stück südlich von hier wüteten letztes Jahr ein riesige Feuer in den ausgedehnten Wäldern südlich von Arcachon. Sogar ein Campingplatz brannte dabei ab. Diese Wälder gleichen dem, in dem die Ferienanlage Euronat steht. Der Wall ist daher ein erster Schutz, falls sich eine Feuerbrunst aus den benachbarten Forsten nähern sollte.

Wall an der Ferienanlage Euronat
Wall an der Ferienanlage Euronat

Durch diese Wälder geht es für uns weiter. Wir müssen die Ferienanlage umfahren, bevor unser Weg wieder nach Norden führt. Auf einem meist gut ausgebauten und schnurgeraden Weg kommen wir voran. Nur hier und da gibt es abrupte Richtungswechsel nach Nord und West und wieder nach Nord. Diese folgen der Logik forstwirtschaftlicher Wege in einem intensiv genutzten Wald. Für Wanderer und Radfahrer wurden sie aber mit einer feinen Bitumenschicht überzogen. So macht das Radfahren trotz der zunehmenden Mittagshitze Spaß. Nur dort, wo die Stranddünen im Laufe der Jahrhunderte weiter ins Landesinnere vorgedrungen sind, gibt es leichte, kaum erwähnenswerte Anstiege zu meistern.

Ankunft in Soulac-sur-Mer

So nähern wir uns Soulac-sur-Mer. Zuerst erreichen wir den Ortsteil L’Amélie. Dort biegen wir links ab und fahren auf der Rue du Huit Mai 1945 bis zum Strand. Die Straße selbst ist wenig einladend. Zwei recht seelenlose Zweigeschosser beherbergen Ferienappartements, und die klapprigen Holzverschläge davor verbessern das Bild nicht gerade. Also lieber weiter nach Soulac!

Dazu geht es auf dem Boulevard de l’Amélie noch einmal ca. zwei Kilometer durch den Küstenwald. Ein Boulevard im Sinne einer von Bäumen gesäumten Prachtstraße sollte man hier nicht erwarten. Zwar stehen links und rechts Bäume, doch von Pracht kann keine Rede sein. Hinter teils rostigen Zäunen und hinter Bäumen und Gebüsch verbergen sich Ferienhäuser, die jedoch keineswegs prächtig sind. Die Straße ist von in die Jahre gekommenem Asphalt bedeckt, durchzogen von notdürftig reparierten Schlaglöchern. Zum schnellen Radfahren reicht es aber allemal.

Der Tanz

In Soulac-sur-Mer angekommen, weicht der Wald und macht links Platz für einen Campingplatz. Gleich dahinter finden Wohnmobile Stellplätze in den Dünen über dem Strand. Rechts haben sich Ferienhäuser aus verschiedenen Nachkriegsjahrzehnten angesiedelt. Am Boulevard du Front de Mer stoßen wir auf die Strandpromenade. Dort begrüßt uns eine recht ungewöhnliche Plastik: Fünf Meter hohe Figuren zweier Tänzer mit ausgestreckten Armen, die unter den Beats der späten 60er Jahre zu vibrieren scheinen. Der Künstler Otter B entwarf sie 1970. Es ist ein in Beton gegossenes Spiel aus Formen, die zu zwei tanzenden Figuren zusammengefügt wurden.

Es ist ein in Beton gegossenes Spiel aus Formen mit verschiedensten Dreiecken und Winkeln, die zu den zwei tanzenden Figuren zusammengefügt wurden. Die kantige Erscheinung wird auf seltsame Art von kleinen runden Löchern gebrochten. Sie durchdringen die Körper und zeichnen die Augen, die Knopfleisten- und Grütellinie nach. Hierzu hat man beim Guss des Betons einfache Flaschen in das Material gesteckt und später wieder entfernt.

Die Bemahlung in den Farben, Blau, Rot, Weiß, Grau und Schwarz unterstützt die kantigen Formen und sieht seltsam ramponiert aus. Das liegt an den rauen Bedingungen dort oben auf der Düne. Wind und Sand wirken wir Sandpapier, dass die Tänzer ständig streicheln. So musste bereits 1975 die Bemalung erstmals erneurt werden. Dies ist aber nicht die einzige Gefahr die die Beiden in den letzten 50 Jahren zu bestehen hatten. Massive Strandabbrüche in Soulac, die zurAufgabe und zum Abriß ganzer Häuserblöcke führten, gefährdeten auch ihren ursprünglichen Standort. So stehen sie heute ca. 100 Meter von ihrem ursprünglichen Standplatz entfernt.

Der Tanz - Soulac-sur-Mer
Der Tanz

Wir fahren auf dem Boulevard du Front de Mer weiter Richtungs Ortsmitte. Wir verlassen den Strand und biegen dann rechts in die Rue de Plage ein um den Ort ein wenig zu erkunden.

  • Boulevard du Front de Mer - Soulac-sur-Mer
  • Fotopoint - Soulac-sur-Mer

Die Geschichte der Église Notre-Dame-de-la-fin-des-Terres

Die Rue de Plage mit ihren Geschäften, Bistros, Restaurants, Hotels und Pensionen ist deutlich enger als beispielsweise Montalivet-les-Bains. Zudem ist Soulac-sur-Mer wesentlich größer. Während Montalivet im Wesentlichen nur aus einem Straßenzug mit einem sich anschließenden Gewirr von Ferienhäusern besteht, breiten sich hier schachbrettartig eine Vielzahl von Straßen und Gassen aus, die dicht bebaute Carrés umschließen. Auch gibt es in Soulac Spuren, die weit in die Vergangenheit reichen. Besonders die Église Notre-Dame-de-la-fin-des-Terres erzählt spannende Geschichten.

Sie war einst die Kirche eines bedeutenden Benediktinerklosters. Für viele Pilger, die in Soulac mit dem Schiff landeten, waren Kloster und Kirche der Startpunkt ihres Weges nach Santiago de Compostela. Daher ist die Église Notre-Dame-de-la-fin-des-Terres heute Teil des UNESCO-Weltkulturerbes “Jakobsweg in Frankreich”.

Eine andere Geschichte berichtet, dass die Kirche aufgrund einer unaufhaltsam vorrückenden Sanddüne aufgegeben werden musste und fast vollständig verschwand. Nur der Turm ragte noch aus den Sandmassen heraus und diente der Schifffahrt lange Zeit als unverzichtbare Orientierung. Irgendwann zog die Düne weiter und gab die Kirche Stück für Stück wieder frei. Der Mensch half nach und legte die Kirche erneut frei. Noch heute zeugen kleine Hügel neben dem großen Kirchplatz, dem Place Aliénor d’Aquitaine, von dieser Geschichte.

Zurück nach Montalivet-les-Bains

Nach einem kurzen Bummel durch die Gassen von Soulac geht es zurück zum Strand. Dort hat die Gemeinde die Statue #soulac installiert. Sie folgt damit wohl dem Trend, dass viele Gäste in den sozialen Netzwerken gerne zeigen, von Sie im Urlaub sind. Dafür ist der überdimensionale Schriftzug auf dem Strand vor dem blauen Meer und unter dem noch viel blaueren Himmel sicher eine Ideale Kulissen. Und bei jedem Post eines solchen Bildes auf Facebook, Instagram, Tiktok und co. ist die Marke “#soulac” mit dabei. Recht clever eigentlich.

Für uns geht es auf dem gleichen Weg zurück nach Montalivet-les-Bains. Eigentlich hatten wir eine etwas längere Route durch die Dörfer im Landesinneren geplant, aber es ist einfach zu heiß. Das Thermometer zeigt deutlich über 30°C. So nehmen wir lieber den kürzeren Weg und genießen die Abschnitte, in denen der Wald aus Seekiefern kühlen Schatten spendet. Manchem Radfahrer, der uns heute Morgen entgegenkam, begegnen wir nun auf seinem Rückweg.

Parken verboten

Wieder an den Dünen des Plage Vensac angekommen, entdecken wir ein neues Schild, das unmissverständlich darauf hinweist, dass Wohnmobile hier zwischen 22:00 und 07:00 Uhr nicht stehen dürfen. Da wir gestern aus der anderen Richtung kamen und noch vor dem Schild wendeten, hatten wir es gar nicht gesehen. Zum Glück hat sich letzte Nacht niemand daran gestört! Heute Abend werden wir wohl auf den wenig einladenden Wohnmobilstellplatz von Montalivet-les-Bains ausweichen müssen.

Vorher flüchten wir für eine Siesta in den Schatten des Wohnmobils. Dann geht es nochmal an den Strand. Denn bis 22:00 Uhr können wir ja hier bleiben.

Stellplatz in Venday-Montalivet

Um 19:00 Uhr packen wir zusammen und parken um. Der Wohnmobilstellplatz vorne im Ort ist alles andere als eine Augenweide. Und als wir dort ankommen, wird uns klar, welches Spiel mit den Wohnmobilisten nun auch in Montalivet-les-Bains gespielt wird. Den bisher von der Gemeinde betriebenen Stellplatz hat die Firma Camping-Car Park übernommen. Zu den Deals mit der Gemeinde gehört dann meist auch, das Freistehen auf anderen Flächen im Gemeindegebiet zu verbieten, oft mit der Begründung, dass diese Flächen nun unter Naturschutz stünden. So stimmt dann der Umsatz bei Camping-Car Park. Das mag in Ordnung sein, wenn die Leistung auf den von Camping-Car Park betriebenen Plätzen gut ist. Und an vielen Standorten ist dies auch so. Im Jahr 2023 in Montalivet-les-Bains allerdings nicht. Es wurde bisher nichts investiert, das dem Wohnmobilisten zugutekommen könnte – außer natürlich der Schrankenanlage, die die Einnahmen sichert.

Der Platz mit seinen geschotterten Wegen und den in der Sonne des Frühsommers schon verwelkten Grasflächen wirkt trostlos. Keine Hecke oder Baum, der Schatten spenden könnte. Geboten werden nur Mülltonnen und eine in die Jahre gekommene Entsorgungsstation. Das war’s.

Allerdings ist die Lage des Platzes durchaus interessant. Gleich hinter den Stranddünen und keine 300 Meter von der Avenue de l’Océan, der Hauptstraße mit ihren Restaurants und Geschäften entfernt. Bleibt zu hoffen, dass es Montalivet-les-Bains gelingt, ein attraktives Ziel für die meist recht kaufkräftigen Wohnmobilisten zu bleiben.

Ein Abendessen mit gemischten Gefühlen

Wir wollen heute Abend auch noch ein wenig Kaufkraft im Ort lassen und irgendwo nett zu Abend essen. Nachdem wir gestern im Restaurant Chez Jeannot in der Avenue de l’Océan nicht so recht zufrieden waren, versuchen wir es heute Abend mal in einer der Nebenstraßen.

Am Boulevard du Front de Mer stoßen wir auf das kleine Restaurant L’Oyat. Die vier Tische draußen sind besetzt oder reserviert. So bleibt uns nichts anderes übrig, als in der hinteren Ecke des kleinen Gastraums Platz zu nehmen. Der Eindruck ist enttäuschend. Im Raum liegt noch die drückende Hitze des Tages, und er benötigt dringend eine Renovierung – und noch dringender eine Reinigung. Die Möbel sind alt, klapperig und unbequem, und das Ambiente wenig einladend. Trotz alledem haben wir Hunger, und die junge Crew macht einen engagierten und freundlichen Eindruck und kümmert sich rührend um uns.

So bestellen wir beherzt Speis und Trank und hoffen, dass die Küche die weniger angenehmen Seiten des Hauses schnell in den Hintergrund treten lässt. Steffi entscheidet sich für Meeresfrüchte und findet das Gericht durchaus akzeptabel. Ich entscheide mich für einen Burger mit klangvollem französischem Namen, den ich nicht verstehe, und greife damit heftig daneben.

Was sich zwischen den beiden Brötchenhälften befindet, ist durch und durch vegetarisch zubereitet. Bei den Salatbestandteilen und den Saucen ist das in diesem Fall auch in Ordnung. Das ebenfalls vegetarische Patty ist für mich allerdings schlichtweg ungenießbar. Ich lege es beiseite und begnüge mich mit den Brötchenhälften und dem wenigen Salat, der dazwischen verblieben ist. Hoffentlich gibt unser Kühlschrank später am Abend noch etwas her.

Was wir hier zu zahlen haben, ist auch nicht wenig. Aber meine Unzufriedenheit mit dem Burger ist eigentlich meine eigene Schuld, angesichts meiner Unfähigkeit, die französische Speisekarte richtig zu interpretieren. In Gedanken wünschen wir der jungen Crew des L’Oyat, dass sie es schaffen, in den nächsten Jahren hier einen besseren Ort daraus zu machen.

Dann geht es zurück zum Wohnmobil. Wir sitzen noch eine ganze Weile draußen, bis die Sterne über uns zu glitzern beginnen.

Montalivet
Montalivet