Ballon d’Alsace, hoch in die Vogesen

Von der Marne geht es heute hoch in die Vogesen. Dabei steifen wir die Kurorte Vittel und Epinal und fahren das Obere Moseltal hinauf. oben auf dem Ballon d’Alsace unternehmen wir eine kleine Wanderung hoch auf den Gipfel. Den Abend und die Nacht verbringen wir am Grande Ballon und haben von dort oben eine fantastische Aussicht hinunter ins Rheintal.

28.September 2021

Von Chaumont in die Vogesen

Das Wetter am Morgen des 28. September 2021 gestaltet sich am Port da la Maladiére in Chaumont eher durchwachsen. Graue Wolken hängen über uns. Es ist windstill und kühl. Der Canal entre Champagne et Bourgogne liegt spiegelglatt da. Weder es gibt weder einen Windzug, der das Wasser kräuseln könnte, noch bewegt sich ein Boot oder Schiff vorbei, das Wellen schlagen könnte. So kann sich der Bug der Petit Gabriel, eines hier vertäuten alten Lastkahns der Freycinet-Klasse, wunderbar im Wasser spiegeln. Außer der Petit Gabriel hat hier noch ein Modernes Wohnboot für die Nacht fest gemacht und genau wie wir den ruhigen Port da la Maladiére als angenehme Reisestation genutzt.

Start in Chaumont

Nach dem Frühstück nutzen wir vor unserer Abfahrt noch die Gelegenheit der Ver- und Entsorgung des Wohnmobils. Das klappt hier ganz wunderbar, so dass wir frisch versorgt für die nächsten Tage gegen 10:30 Uhr in Chaumont starten können. An der Ausfahrt vom Hafen biegen wir prompt in die falsche Richtung ab. Das zwingt uns dazu noch einer Runde durch/um die halbe Stadt zu drehen. Dabei unterqueren wir die wohl mächtigste Sehenswürdigkeit der Stadt. Das Viaduct de Chaumont führt die Bahnstrecke Paris-Mulhouse über das Tal des Flüsschen Suize in die Stadt. Die Abmessungen sind beeindruckend. Es ist 650 Meter lang und ragt bis zu 50 Metern hoch über das Tal. Erreicht wird diese Meisterleistung der damaligen Zeit (erbaut 1855/56) durch ein Mauerwerk aus Natursteinen mit 50 Bögen und drei Etagen. Damit ist es eines der bedeutendsten Bauwerke dieser Art in Westeuropa.

Fahrt in die Vogesen

Als wir Chaumont auf der D 417 in Richtung Südosten hinter uns lassen erfahren wir auf den nächsten 120 Kilometern bis Epinal wie weiträumig der Osten Frankreichs sein kann. Zunächst geht es auf überwiegend schnurgeraden Abschnitten durch eine Hügellandschaft bergauf und bergab. Nur die Ortschaften, die wir entweder durchfahren oder auf großzügigen Straßen umfahren zwingen zur Richtungsänderung. Große bewirtschaftete Felder säumen die Straßen. Dahin ragen oft größere oder kleinere Waldstücke auf.

Dann werden die Landschaft und die Strecke abwechslungsreicher, weil bergiger. Ackerwirtschaft scheint hier kaum möglich und mehr und mehr Wälder begleiten unseren Weg. Es geht vorbei an Vittel, dem für sein Mineralwasser bekannten Kurort. Leider liegt die berühmte Quelle heute in den Händen von Nestlé, einem die internationalen Lebensmittelgiganten.

Nachtrag: Nestlé hat die Förderung des Mineralwassers Anfang 2022 eingestellt und Marke in Deutschland und Österreich vom Markt genommen. Nach einer kritischen Berichterstattung über die zu hohen Fördermengen war der Konzern in die Kritik geraten. Waren die Umsatzeinbrüche danach zu hoch? Sanken die Gewinnmargen für Nestlé auf ein nicht ertragbares Maß. Eine Meldung des Magazins Spiegel aus dem Februar 2022 versucht diese Fragen zu beantworten.

Der nächste Streckenabschnitt bring uns nach Epinal an der Mosel. Hier beginnen wir den Aufstieg hoch auf die Vogesen. Hierzu folgen wir auf den Nationalstraßen 57 und 66 den Lauf der Mosel stromaufwärts. Teilweise wirkt die breite Straße wie ein Fremdkörper in den kleinen Orten dort im oberen Moseltal. Über die Belastungen durch den Verkehr, die Abgase und dem Lärm mögen wir nicht nachdenken. Vielleicht auch deshalb, weil wir gerade selbst ein Teil des Problems sind. Wirtschaftlich wird die Straße allerdings ein Segen für die Bewohner dieses abgelegenen Zipfels sein.

Ballon d’Alsace

In Saint-Maurice-sur-Moselle verlassen wir gegen 14:00 Uhr die N 66 fahren die nächsten 13 Kilometer ca. 500 Höhenmeter hinauf zum Ballon d’Alsace. Dort oben ist absolut nichts los. Die Bar de Déminuers und das Museum de Déminuers haben geschlossen und alles scheint schon in einen Winterschlaf gefallen zu sein. Ein Parkplatz finden wir sofort, denn wir sind das einzige Fahrzeug hier oben.

Wir packen eine Kamera und eine Flasche Wasser als Wegzehrung und wagen eine kleine Wanderung um und über den Ballon d’Alsace. Zunächst geht es ca. 600 Meter bergan. Dort steht eine Statue der Jeanne d’Arc. Aufrecht, stolz und unerschrocken führt in eine Rüstung gewandet sie ihr steigendes Ross und schaut hoch in den Himmel. Was machen die beiden nur hier oben?

Statue der Jeanne d’Arc – Ballon d’Alsace

Die Statue des Bildhauers Mathurin Moreau steht seit 1903 hier oben. Sie ist eine Nachbildung des Originals auf dem Jahr 1899. Mehrfach musste sie wegen der damals umstrittenen Grenzverläufe ihren Standort wechseln. Sie sollte die Verbundenheit mit und den Anspruch Frankreichs auf das Elsass bekunden. Und sie sollte dem Nachbarn im Osten sicher auch sagen: Bis hier her und nicht weiter. Dabei darf man nicht die damals nationalistisch aufgeladenen Zeiten in Frankreich und Deutschland vergessen. Und seit Jahrhunderten war die territoriale Zugehörigkeit des Elsass zwischen beiden Ländern umstritten.

Dabei birgt das Motiv ein besonderes Detail. In den meisten Standbildern die Jeanne d’Arc hoch zu Ross darstellen, folgt das Pferd dem Willen der Reiterin. Ob im Stand, Trab oder Galopp. Hier allerdings bäumt es sich auf. Ob dies eine Zeichen der besonderen Entschlossenheit oder des Ungehorsams ist, bleibt dem Betrachter überlassen.

 Statue der Jeanne d'Arc - Ballon d'Alsace
Statue der Jeanne d’Arc

Wir zweigen vom Hauptweg auf den schmalen Entdeckerpfad ab. Er bringt uns an die Kante des steilen Nordosthang des Ballon d’Alsace. Hier hat man einen wunderbaren Blick über das Tal, welches der Köhlerbach (Ruisseau des Charbonniers) weit über 500 Meter tief in das Gelände gegraben hat. Dahinter erstrecken sich bis zum Horizont die Gipfellandschaft der Vogesen, zerschnitten durch zahlreiche Täler.

Gipfel des Ballon d’Alsace

Dann steigen wir vom Entdeckerpfad wieder hinauf und erreichen den Gipfel des Ballon d’Alsace auf 1.248 Meter Meereshöhe. Er ist damit der zweithöchste Berg in den Vogesen. Kein Baum verstellt hier den Blick. Man hat freie Sicht in alle Richtungen. Darüber wohin man schaut, gibt ein ca. ein Meter hoher gemauerter Steinkreis Auskunft. Mit den oben aufliegenden halbkreisförmigen Bronzeplatten lassen sich die wesentlichen Gipfel in allen Himmelsrichtungen anpeilen.

Um den Steinkreis sind in strahlenförmigen Reihen Zylinder aus Beton in den Berg einlassen. Mit ihrer Höhe von ca. 50 Zentimeter über den Boden bieten die dem erschöpften Wanderer eine ideale Sitzgelegenheit zum Ausruhen. Andererseits erinnern sie in Ihrer Anordnung aber auch an ein prähistorisches Sonnenobservatorium a’la Stonehenge oder Nebra. Für alle, die die umliegenden Gipfel aus der Nähe betrachten wollen und kein Fernglas dabeihaben, gibt es dort oben ein fest installiertes Münzfernrohr.

Notre Dame du Ballon – Ballon d’Alsace

Vom Gipfel sind es nur wenig dutzend Meter zur Marienstatue Notre Dame du Ballon. Im blauen Kleid mit weißem Schal gewandet steht die liebliche Figur auf einem hohen Postament und trägt eine goldene Krone. Sie ist wohl eine von den vielen, vielen Marienverehrungen, die es in Frankreich gibt. Allein 30 der 90 Kathedralen in Frankreich führen „Norte-Dame“ im Namen. Hinzukommen sicher hunderte weiter Kirchen, die der Gottesmutter geweiht sind. Und dann die unzähligen Marienstatuen im ganzen Land. Warum also sollte nicht auch eine den Weg hier hoch auf den Ballon d’Alsace gefunden haben.

Und sicher nicht ganz unbeabsichtigt bildet sie ein Pendant zur Jeanne d’Arc am gegenüberliegenden Rand der Bergkuppe. Genau wir sie richtet auch die Jungfrau Maria ihren Blick nach Osten. Nur etwas lieblicher und etwas gnädiger.

Der Abstieg

Von der Marienstaue oben auf dem Gipfelplateau des Ballon d’Alsace senkt sich der Weg leicht bergab. Bald geht er in einen steilen Fahrweg über, der uns hinunter zur Auberge du Ballon d’Alsace bringt. Die hat jedoch auch geschlossen und verwehrt uns so eine Rast, die wir dort gerne eingelegt hätten. So geht es am Straßenrand weiter zurück zum Wohnmobil. Dabei überqueren wie den Quellbach der Savoureuse deren Wasser von hier oben ihren Weg ins Mittelmeer antritt. Oben auf dem Gipfel hatten wir die europäische Wasserscheide zwischen Nordsee und Mittelmeer überschritten. Auf der anderen Bergseite fließt das Wasser zur Mosel und der La Thur, weiter in den Rhein und damit zur Nordsee. Und von dieser Seite geht es über die Saône und die Rhône in Richtung Mittelmeer.

Kurz vor dem Parkplatz kommen wir an einem recht ungewöhnlichen Denkmal vorbei. Drei Stehlen ragen wir Strahlen in die Luft. Davor hängt waagerecht ein nackter Männerkörper. Irgendwie ist er unfähig seine Bewegungen zu kontrollieren. Sein ist Gesicht vor Schrecken und Schmerz verzehrt. Es ist das Monument d’hommage aux Démineurs. Es ist den 600 Minenräumern aus Frankreich gewidmet, die im 2. Weltkrieg bei ihrem gefährlichen Dienst ihr Leben gaben.

Grand Ballon

Nach unserem Rundgang über den Ballon d’Alsace starten wie gegen 16:15 Uhr und fahren wieder hinunter ins Moseltal. Wir folgen dem Flüsschen weiter stromauf und kommen bald an der Moselquelle vorbei. Dann geht es hinauf auf den Col de Bussang auf 731 Meter Höhe und wir folgend noch einige Kilometer der La Thur. In Willer-sur-Thur biegen wir links ab und fahren hinauf auf den Grande Ballon. Wir wollen dort oben die Nacht verbringen.

Dieser Plan geht auf. Es gibt dort oben einen kostenfreien Stellplatz und ein nettes Bistro neben einem Landen der allerlei Bienenprodukte verkauft. Das Beste dort oben ist aber die grandiose Aussicht hinter in das weite Rheintal. Bis nach Basel geht der Blick, immerhin gute 50 Kilometer Luftlinie von hier. Wir meinen sogar die Doppeltürme des Roche-Tower leuchtend in der Abendsonne zu erkennen. Dabei erinnern wir uns an unseren zweiten Reisetag der und auf den Weg in die Alpen durch Basel führte.

Davor erstreckt sich der dicht zersiedelte Raum rund um Mulhouse. Kaum zu glauben, dass sich unser Kontinent dort unten vielleicht irgendwann einmal teilen könnte.

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