Weiter ins Vercors und nach Pont-en-Royans

Es geht weiter durch den Südosten Frankreichs. Von der Provence hoch in der Vercors und weiter bis Pont-en-Royans.

Aufbruch Le Lauzet Ubaye

Nach dem netten Abend gestern im Relais du Lac in Le Lauzet Ubaye schlafen wir heute aus und gönnen uns ein ausgiebiges Frühstück im Wohnmobil mit Blick auf den kleinen Bergsee gleich beim Stellplatz.

Gegen 10:40 Uhr brechen wir auf. Vorher ist aber noch die Stellplatzgebühr in der kleinen Tourist-Information zu begleichen. Die befindet sich in einem älteren Gebäude gleich an der Ausfahrt.

Das Ziel der Reise steht für uns heute fest. Es soll nach Pont-en-Royans gehen. Wir kennen den Ort von einer Durchreise im letzten Jahr. Damals war uns dort eine malerisch gelegener Wohlmobilstellplatz aufgefallen, der allerdings noch im Bau war.

Ca. 230 Kilometer liegen bis dorthin vor uns. Aber es wird mit dem Blick auf die Karte eine längere Tour werden. Weder Autobahnen noch eine der allgemein gut ausgebauten Nationalstraßen liegt auf der Route.

Lac de Seere-Ponçon

So geht es zunächst auf der D 900 Richtung Westen. Nach wenigen Kilometern halten wir zu einem kurzen Fotostop. Unten im Tal können wir beobachten, wie sich die wilde L’Ubaye beginnt im Lac de Seere-Ponçon aufzustauen.

Lac de Seere-Ponçon

Dieser Stausee wartet mit einigen Superlativen auf. Europas größter Erddamm staut hier die Ubaye und die größere Durance auf. 10 Prozent der aus Wasserkraft gewonnenen Energie in Frankreich werden hier erzeugt.

Auch dem Hochwasserschutz dient der 20 Kilometer und bis zu 120 Meter tiefe Stausee. Damit sind die katastrophalen Hochwasser die im 19. Jahrhundert z.B. Avignon heimsuchten passé.

Einen letzten Blick auf die gewaltige Anlage können wir in Espinasses werfen. Unterhalb des Dammes überquert hier die D 9008 die Durance.

Weiter ins Vercors

Nun folgen wir einige Kilometer talwärts der Durance. Die Gegend links und rechts des Flusses scheint ein großer aber dicht besiedelter Obstgarten zu sein. Plantage reiht sich an Plantage, immer wieder unterbrochen von Gehöften, Weilern und Dörfern. Schön hier!

Bei all dieser Schönheit verpassen wir den Abzweig auf der B 900 B nach Norden. So Folgen wir der D 942 weiter nach Süden durch Tallard bis zum Aerodrome de Gap-Tallard. Dabei fragen wir uns ob diese Provinzflugplätze in Frankreich besser als jene in Deutschland funktionieren.

Hinter dem Flugplatz geht es jäh Richtung Norden auf des N 85. Durch unseren kleinen Navigationsfehler können wir nun doch ein Nationalstraße nutzen, die uns ganz schnell an den westlichen Rand von Gap mit seinen Einkaufsmärkten und Gewerbegebieten führt.

An einem großen Kreisverkehr geht nach Westen, auf die D 994. Noch einmal kommen wir schnell voran. Die Straße ist streckenweise schnurgerade und folgt dabei den Petit Beuch, einem kleinen Gebirgsfluss, dem wir nun stromabwärts folgen.

In Veynes biegen wir auf die D 994B ab. Kleine Serpentinen führen uns hinauf zum Col des Eygaux auf 914 Metern über dem Meer. In La Faurie biegen wir nach Westen auf die D 28L ab. Auf enger Straße sind hier nun zwei Pässe zu meistern. Den Col de la Haute Beaume (1.268 Meter hoch) und den Col de Cabre (1.180 Meter). Auf letzteren steht recht einsam das Refuge de Col de Cabre. Die Türen verschlossen, schaut uns der düstere Bau wenig einladend an.

So fahren wir weiter und haben eine längere Abfahrt vor uns. Über 50 km geht es nun bergab. Die D 93 führt zunächst nach Südosten entlang der Le Maravel die bald in die Drôme mündet. Hier macht die Straße einen jähen Richtungswechel, um nun dem größeren Fluss nach Nordwesten zu folgen.

Entlang der Drôme

Zunächst teilen sich Bahnstrecke und Straße eine Trasse, die durch eine karge Gebirgslandschaft führt. Später dann weitet sich das Tal der Drôme und erste Weiden und Felder begleiten uns, hier und da ein Weiler oder ein Gehöft.

Dann türmen sich vor uns zwei gewaltige Berge auf uns auf. Ein Labyrinth aus riesigen Felsbrocken zwischen dem Pic du Luc rechts und seinen namenlosen Pendant auf der anderen Seite der Drôme versperren dem Fluss hier seinen Weg. Sich einen Weg durch diese enge Passage suchend, bildet der Strom ein großes S, dem die die Straße in weiten Bögen folgt.

Dabei geht es immer bergab. Zu Zeiten der großen Gletscherschmelzen nach der letzten Eiszeit mag dies hier ein gewaltiger Katarakt gewesen sein. Ein wenig erinnert uns das Bild an den „Toten Wasserfall“, den wir vor Jahren in Schweden besuchten.

Heute fließt die Drôme hier in aller Ruhe entlang und hat einen kleinen See gebildet. Dahinter geht es dann in Stromschnellen hinab ins Tal. Die Trockenheit der letzten Monate mindert dieses Naturschauspiel allerdings zu einem armseligen Rinnsal.

Drôme

Hier gibt es einen kleinen Rastplatz, an dem wir uns eine kleine Auszeit gönnen. Hierzu ist es auch höchste Zeit, den schon über drei Stunden sind wir seit unserem Aufbruch in Lauzet Ubaye unterwegs.

Hinter Luc-en-Diois weiter sich das Tal der Drôme mehr denn je. Die Felder entlang der Straße werden immer breiter und zunehmend mischen sich Plantagen mit Wallnussbäumen darunter.

Hinauf zum Col de Rousset

Im Städtchen Die verlassen wir die Drôme und biegen nach Norden auf die D 518 ab. Hier haben wir auch den tiefsten Punkt unsere heutigen Etappe erreicht. Die Stadt Die liegt auf 416 Meter Meereshöhe. Und von hier aus geht es direkt zum höchsten Punkt für heute, dem Col de Rousset. Es wird unser Aufstieg hinauf ins wilde Vercor.

Die Anfahrt zum Pass erfolgt entlang des Flüsschens La Comane. Dabei führt die Straße hoch über dem Fluss am Berghang entlang und durch dichte Wälder. Hinter Chamaloc beginnt dann der eigentliche Aufstieg. Auf den nächsten 14 Kilometern geht es über 700 Höhenmeter nach oben.

Spektakulär winden sich die Serpentinen mit ihren engen Kehren das Karstgebirge hinauf. Genauso spektakulär kommt uns ein Konvoi von Oldtimern der Marke Aston Martin entgegen. Manche driften durch die Kurven, so dass wir Angst um unser ausgeliehenes Mobil bekommen. Aber auch diese Begegnung überstehen wir schadlos.

Dann ist der Col de Rousset erreicht. Der Ausblick von hier oben ist bei schönem Wetter sicher grandios. Der graue Himmel, der in der letzten Stunde aufgezogen ist, trübt dieses Erlebnis allerdings ein wenig. Von den Gänsegeiern die Ende der 1990er Jahr hier angesiedelt wurden, ist leider nichts zu sehen

Mit unserer Fahrt hier hinauf haben wir nun die Provence mit ihren mediterranen Klima verlassen und haben das Vercors erreicht, das eher mit dem feuchtkalten Klima der nördlichen Randgebirge der Alpen aufwartet.

Den eigentlichen Gipfel des Col de Rousset erklimmen wir übrigens nicht. Hierzu müssten wir zu Fuß weitere 113 Höhenmeter aufsteigen. Das trübe Wetter, der scheinbar schwierige Weg hinauf und die fortgeschrittene Tageszeit sind uns eine willkommene Ausrede auf dieses Abenteuer zu verzichten.

Im Vercors

So machen wir uns durch den Tunnel unter dem Gipfel des Col de Rousset aus dem Staub. Auf der anderen Seite begrüßt uns tatsächlich eine anderes Wetter. Es nieselt ein wenig als wir der D 518 nun weiter nach Norden folgen. Dabei geht es zunächst über zwei enge Kehren hinab nach Rousset, dem kleinen Dorf, nachdem der Gipfel und der Pass hinter uns benannt sind.

Von dort aus geht es in Tal des Flüsschens Vernaison schnurstracks noch Norden. Irgendwann stößt der Adouin, ein weiterer Gebirgsfluss hinzu und beiden schwenken nach Nordwesten. Uns bleibt der Vernaison ein guter Wegweiser. Dabei führt die Straße durch das beeindruckende Karstgebirge des Vercors mit seinen engen Schluchten. Hier da muss uns ein Tunnel die Bahn brechen.

Pont-en-Royans

So kommen wir gegen 16:20 Uhr in Pont-en-Royans an. Auf dem nigelnagelneuen und schön gelegenen Wohnmobilstellplatz am Ufer der Flusses Bourne haben wir freie Platzwahl. Nur ein weiteres Wohnmobil hat sich heute hier her verirrt.

Sofort machen wir uns auf den Weg, den Ort zu erkunden. Wir nehmen den malerischen Weg unten entlang am Fluss und erkennen von hieraus wie malerisch, fast spektakulär die alten Häuser hoch auf den Felsklippen stehen, durch die sich hier die Borne in einem engen Canyon schlängelt.

Dann geht der Weg am Ufer des Flusses nicht weiter. Zu eng ist die Klamm als dass sie Platz auch nur für einen kleine Steig bieten könnte. So geht es an der rechten Flussseite einige Treppen hinauf. Und schon stehen wir auf dem Bauwerk, das dem Städtchen seinen Namen gab – die Ponte en Royans.

Die Brücke Pont-en-Royans

Viele Jahrhunderte war hier, aus den Ebenen des Rhone und der Isère kommend, der einzige Zugang hinauf ins Vercors. Der enge Klamm bot eine gute Gelegenheit hier die Bourne zunächst mit einer Holzkonstruktion zu überbrücken. In den folgenden Jahrhunderten wurde eine Steinbrücke daraus, die immer wieder erneuert und verbreitet wurde.

Auf diesem historischen Monument stehen wir nun und blicken hinunter in die klaren Wasser, die sich hier ihren Weg zur die Isère, der Rhone und später ins Mittelmeer bahnen. Nur ein paar Bläschen von den Stromschnellen oberhalb von hier schwimmen auf der Oberfläche und verdecken ein wenig die klare Sicht in die Tiefe. Ein Schild an der Brücke verbietet hier jedem einen Sprung in kühle Nass. Sicher nicht ohne Grund.

Durch die Stadt Pont-en-Royans

Von der Brücke aus führt uns die Hauptstraße, die Rue Grande, zurück zum Wohnmobilstellplatz am anderen Ende des Städtchens. Was dicht gedrängt links und rechts der Rue Grande steht, ist meist von morbiden Charme. Vieles scheint verlassen manches dem Verfall preisgegeben zu sein.

Ein Blick in die jüngere Vergangenheit von Pont-en-Royans

In einem der Läden nehmen wir als Souvenir eine Flasche des hiesigen Wallnusslikörs mit. Ein ganz anderer Baum lieferte lange den Rohstoff für eine kleine Industrie. Lange bevor Kunststoffe begannen elektrische Komponenten wie Schalter und Steckdosen zu verkleiden, diente hier der Buchsbaum als edle Alternative. Die Buchbaumdrechslerei war lange der Haupterwerbszweig hier. 1986 schloss allerdings der letzte Betrieb.

Auch sonst ging es wohl in den letzten Jahrzehnten wirtschaftlich eher bergab. Ein deutliches Zeichen dafür ist der Bevölkerungsschwund.
Waren es 1962 noch über 1.100 Einwohner, so fanden 2017 nur noch 774 Einwohner hier ihre Heimat. Damit erklärt sich auch der große Leerstand in den Häusern links und rechts unseres Weges.

Einen anderen Teil der Geschichte dieses Ortes müssen wir als deutsche Gäste aber auch noch erzählen.

Das schwer zugängliche Vercors war im 2. Weltkrieg ein ideales Operations-, Rückzugs- und Ausbildungsgebiet für die Resistance. Am 6. Juni wurde durch die Resistance gar die République du Vercors ausgerufen. Ein Akt den die deutschen Besatzer nicht dulden wollten.

Die deutsche Wehrmacht wütete schrecklich unter den Widerstandskämpfern (639 Tote) und Zivilisten (201 Tote). Mann schreckte auch nicht davor zurück Ärzte und Verwundete eines Lazarettes zu exekutieren und Krankenschwestern in das KZ Ravensbrück zu deportieren. Mehr hierzu erfährt man im Musée départemental de la Résistance du Vercors in Vassieux-en-Vercors.

Als einer der wichtigsten Zugangsorte zum Vercors war Pont-en-Royans einer der Dreh- und Angelpunkt der Widerstandsbewegung. So wurde das kleine Städtchen im Juli 1994 das Opfer von zwei grausamen Angriffen der deutschen Luftwaffe.

Ein Gedanke zur Gegenwart

Heute scheint die Zeit in Pont-en-Royans ein wenig stehen geblieben zu sein. Nur der fast futuristische Bau des Musée de l’Eau (Museum des Wassers) setzt einen modernen Tupfer in die Stadtkulisse. Leider hat es aber geschlossen, so dass wir uns auf dem Weg zurück zum Wohnmobil machen.

Orte wie Pont-en-Royans lassen uns immer wieder grübeln. Malerisch in einer phantastischen Landschaft gelegen, mit reicher Geschichte und Architektur gesegnet, dämmern so viele Orte in der französischen Provinz ihrem Verfall entgegen. Warum ist das so?

Sind wir hier in Deutschland mit unserem föderalen System besser aufgestellt. Dort ist es möglich, dass sich fast jedes Dorf eine politische Lobby aufbauen kann. Der Weg zu denen, die auf Landesebene helfen können, ist meist recht kurz. Ein guter Ministerpräsident kennt seine Städte und Dörfer und Bürgermeister. Die Landkreise vermitteln. Selbst in Brüssel hat jedes Bundesland eine Vertretung, die sich auf europäischer Ebene für die Belange der Bürger und Kommunen einsetzen kann.

In Frankreich mit seinem zentralistischen System ist das scheinbar anders. Alles Wesentliche wird in Paris entschieden und der Weg dorthin ist weit. Der Blick aus Paris reicht wohl oft nur bis in die großen Metropolen wie Lyon, Marseille oder Lille.


Die kleine bleiben auf der Strecke und schaut man nur den Zustand vieler Häuser in Pont-en-Royans an, ahnt man, warum den ersten Wahlgang zur Wahl des französischen Präsidenten im Jahr 2017 hier Marie Le Pen gewonnen hat.


Frankreich sollte unbedingt in seine Provinz investieren, die Landflucht stoppen und sich die Herstellung annähernd gleicher Lebensverhältnisse im ganzen Land auf die Trikolore schreiben.

Mit diesen Gedanken kommen wir zurück zum Wohnmobil. Zu unserer Überraschung landet auf dem Sportplatz nebenan gerade ein Rettungshubschrauber. Ganz so abgeschnitten, wie wir dachten, scheint Pont-en-Royans wohl doch nicht zu sein.

Und wenn es auch nicht unbedingt einer ganzen Reise wert ist, so lohnt sich ein Abstecher hierher auf jeden Fall.

Hier noch unsere Tagesstrecke

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