Wir verlassen heute Montalivet und fahren Richtung Norden. Wir überqueren die Gironde mit der Fähre von Verdon-sur-Mer nach Royan. Dann geht es durch die westliche Saintonge nach Port-des Barques.
Am 18. September verlassen wir den Plage-Vensag. Der Abschied fällt uns nicht schwer. Es ist deutlich kühler geworden und der Himmel scheint sich von Norden her einzutrüben. Allerding lassen wir uns Zeit mit dem Aufbruch. Unsere neue Begleitung nutzt die Zeit und unternimmt noch einen langen Strandspaziergang. Dabei stromert Loki um die alten Betonbunker. Er schnüffelt hier und dort und markiert ein Revier, von dem er sich gleich wieder verabschieden muss.
Gegen 13:30Gegen 13:30 Uhr geht es dann los. Nun sind wir im Duo unterwegs. Wir vorneweg mit unserem trägen Wohnmobil, gefolgt vom auch nicht ganz flinken, aber sehr wendigen Caddy von Sophie in dem ihr Kromfohrländerrüde Loki die Rolle des Copiloten gibt.
Um der Atlantikküste nach Norden zu folgen haben wir theoretisch zwei Möglichkeiten. Den Umweg landeinwärts über Bordeaux die Mündung der Gironde umfahrend oder mit der Fähre von Verdon-sur-Mer noch Royan die Gironde überquerend.
Wenn man auf dem Weg nicht die Weingüter des Medoc erkunden und Bordeaux besuchen möchte macht die erste Variante überhaupt keinen Sinn. Der Umweg zu unserem für heute anvisierten Tagesziel wären stolze 180 Kilometer.
So entscheiden wir uns für die zweite Variante und fahren nach Port Bloc, dem Fährhafen von Verdon-sur-Mer. Noch einmal geht es ca. 30 Kilometer auf meist schnurgeraden Straßen durch die trockenen Seekiefernwälder des Haute-Medoc. Kurz hinter dem Plage-Versage verbirgt der Wald die riesige Ferienanlage „Euronat“. Eigentlich ist auf den üblichen Apps hier eine Station für die Ver- und Entsorgung von Wohnmobilen verzeichnet. Die würden wir nach den zwei Tagen am Plage-Vensag auch gerne nutzen. Leider ist sie aber am angezeigten Ort nicht aufzufinden. So müssen wir dieses Thema auf die nächste Gelegenheit verschieben.
Über die Gironde
Schnell ist der Fährhafen erreicht. Wir reihen uns in die Schlange der zu verschiffenden Fahrzeuge ein. Die kriecht langsam vorwärts, da gerade eine Fähre beladen wird. Gespannt warten wir ab, ob im Bauch des Stahlkolosses auch noch Platz für uns sein wird. Leider haben wir Pech. Fünf Fahrzeuge vor uns wird die Zufahrt auf die Fähre abgeriegelt. So können wir nur noch beobachten wie sich das Gate der Fähre schließt, die Passagiere nach und nach der Oberdeck befüllen, die Leinen eingeholt werden und die Fähre mit einem routinierten Manöver den Hafen in Richtung Royan verlässt.
Warten
Da es schon Mitte September ist und die Fähren nicht mehr im 50-Minuten-Takt über die Gironde pendeln, müssen wie nun anderthalb Stunden auf die nächste Überfahrt waren. Das ist ärgerlich zumal es schon auf 14:15 Uhr zugeht und so der halbe Tag vorbei ist. Über die Wartezeit gibt es nicht viel zu berichten. Außer, dass wir die auf den bequemen Bänken an der Hafenmole in einer erträglichen Atmosphäre hinter uns bringen konnten.
Gegen 16:50 Uhr kommt die Fähre aus der Gegenrichtung in den Hafen. Routiniert erfolgt das Anlegemanöver. Die Ausfahrt des Autodecks rastet in die Rampe ein die als Zufahrt zur Fähre dient. Zusätzlich werden Leinen zu Sicherung des Schiffes ausgebracht. Dann ergießen sich die Fahrzeuge in einer langen Kolonne an Land. Wir können uns anschließend vom Personal gut eingewiesen, auf unsere Parkposition auf dem Auto-Deck begeben. Vor uns rollte übrigens ein „Camper-Traum“ aus den 1970er Jahren auf die Fähre. Knuffig sieht er aus der lindgrüne VW Bully T2b. Das Modell wurde von 1972 bis 1979 gebaut. Somit hat dieses Exemplar mindestens 42 Jahre auf dem Buckel. Respekt!!!
Aber ehrlich gesagt würde ich unsere Tour nicht mit ihm machen wollen. Ich denke dazu bin ich einfach zu alt und zu bequem. Und mit knappen 70 PS über die Route des Grande Alpes? Da bin ich doch sehr skeptisch. Aber wie schon gesagt: Knuffig anzuschauen ist er schon.
Die Überfahrt nach Royan
Hier unten auf dem Auto-Deck wollen wie natürlich nicht bleiben. So entern wir auf das Oberdeck. Dort stehen für die Passagiere, die die Überfahrt an frischer Luft erleben möchten, eine gute Anzahl an Sitzplätzen zur Verfügung. Die Passage dauert ca. 40 Minuten ist recht unspektakulär. Es sind kaum Schiffe und Boote unterwegs. Nur hier und da ziehen ein paar ihre Bahnen Segler. Sie kämpfen sich tapfer auf Kreuzkurz hinaus zur Gironde-Mündung. Dabei weht ihnen eine frische Brise entgegen. Fast ein wenig „kappelig“ sind Wind und Welle für sie. Unser große Fähre lässt sich davon aber kaum beeindrucken. Die einzigen Fixpunkte auf der über Fahrt sind der Starthafen, die große Stadt Royan auf der andern Seite und der Leuchtturm von Cordouan auf einer Sandbank draußen im Meer. Er ist etwa neun Kilometer von unsere Route entfernt.
Dann ist da aber noch diese riesige Flussmündung. Auf einer Breite von fast 10 Kilometern mündet hier ein Fluss in den Atlantik, der unter dem Namen Gironde nur knappe 80 Kilometer lang ist. Wie geht das? Die Gironde bildet sich nördlich von Bordeaux aus dem Zusammenfluss von Dordogne und Garonne. Beiden entwässern das riesige Gebiet zwischen dem Zentralmassiv und den Pyrenäen und damit fast den gesamten Südwesten Frankreichs.
Die Dordogne hat bei ihrem Zusammenfluss mit der Garonne ca. 480 Kilometer Flusslauf hinter sich. Ihr Einzugsgebiet ist ungefähr so groß wir die Fläche von Mecklenburg-Vorpommern. Die aus den Pyrenäen kommende Garonne ist ca. 100 Kilometer länger und entwässert eine Fläche so große wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zusammen.
So fahren wir auf dem Wasser aus ganz unterschiedlichen Ecken Frankreichs hinüber nach Royan.
Royan
Schon vom Wasser aus war zu erkennen, das Royan kein verschlafenes Küstenkaff mit Fähranleger ist. Im Gegenteil! Royan ist die größte Stadt an der Mündung der Gironde. Um die 18.000 Einwohner leben hier in einer recht modernen Stand. Die Sea-Front glänzt mit modernen Bauten aus Beton, Glas und Stahl. Auch die übrige Stadt schein komplett in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden zu sein.
Der historische Hintergrund hierfür ist ein trauriger. Vor dem 2. Weltkrieg war Royan ein mondäner Badeort. Royan wurde im Krieg von deutschen Truppen besetzt und war mit seiner Lage an der Gironde-Mündung sicher von strategischer Bedeutung. Und die deutsche Besatzung hielt sich hier noch immer, als die übrigen Fronten im Westen schon lange an der französischen Ostgrenze standen. Als die Deutsche Besatzung Anfang Januar 1945, die Ardennenoffensive der Deutschen stand kurz vor dem Zusammenbruch, noch immer in Royan stand, war dies für die britische Royal Aire Force Anlass genug den Ort mit einem schweren Luftangriff zuzusetzen. Im April 1945, wenige Wochen vor der deutschen Kapitulation in Berlin waren die Besatzer noch immer in Royan.
Nun griffen die US Aire Force und die neu gebildete französische Armee Royan erneut an. In und um Royan sind 153.500 Granaten und 10.000 Tonnen Bomben niedergegangen. Die deutschen Besatzer gaben erst mit der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 auf. Da war Royan aber nur noch ein riesiger Haufen aus Schutt und Asche.
Unser Überfahrt endet und wir werden aus dem Bauch der Fähre in die moderne Straßen von Royan entlassen.
Wir wollen Richtung Norden. An dem Großen Kreisverkehr, in den die D 25 mündet, verlieren wir ein wenig die Orientierung und sind plötzlich in Richtung Westen unterwegs. An der nächsten Ausfahrt finden wir ein Gelegenheit zum Wenden und nach einigem hin und her hat sich unseren Minikolonne wieder auf der geplanten Route zusammengefunden.
Wir nehmen nun die großzügig Ausgebaute D 733 und kommen in die Landschaft der Saintonge.
Durch die Saintonge
Das Landschaftsbild hier ist ein ganz Anderes als drüben im Haute-Medoc. Die Wälder und Dünenlandschaften sind verschwunden. Unter einem weitem Himmel durchfahren wir eine riesige Ebene. Land und Wasser gehen hier eine Symbiose ein. Die Wiesen und Felder sind von unzähligen Gräben durchzogen. Die leiten das Wasser aus der sonst sumpfigen Landschaft in die Seudre ab. Der Fluss entspring nahe der D 733, Er nimmt das Wasser der vielen Gräben auf und leitet es in den Atlantik. Er so wird dort eine Art von Landwirtschaft überhaupt erst möglich.
Die Ebene wird von Hecken, den Schilfgürteln an den Gräben und einzelnen Baumgruppen gegliedert. Hier und da leuchtet eine Gehöft meist weiß mit roter Mütze und manchmal ragt ein Kirchturm keck in die Höhe.
Geografisch befinden wir uns hier in der südwestlichen Ecke der ehemaligen Provinz und alten Kulturlandschaft der Saintonge. Die ist eigentlich wegen des Weinanbaus einiger bedeutender Kirchen bekannt. Davon ist hier draußen in der gewaltigen Schwemmlandschaft vor dem Atlantik allerdings wenig zu sehen. Das einzige bedeutende Baudenkmal in der Gegend ist die beindruckende Festungsstadt und Zitadelle Port Brouage aus der Mitte des 17. Jahrhundert. Die befindet sich ca. acht Kilometer westlich unserer heutigen Route und lag einst direkt am Meer. Der Niedergang von Port Brouage ging mit der zunehmenden Verlandung der Gegend einher. Heute sind es von dort nochmal drei Kilometer bis zur Küste. Damit schob sich das Land hier in den letzten 380 Jahren ca. 8 Meter pro Jahr ins Meer hinaus.
Earl Papin Moufflet
Bei dem Dörfchen L’Èguille überqueren wir die Seudre und gleich danach lockt an der Straße ein unwiderstehliches kulinarisches Angebot. Da es nun schon gegen 17:20 Uhr ist und das Mittagessen heute ausfiel, sind wir froh das Earl Papin Moufflet gefunden zu haben.
Die kleine Imbiss ist einer trist anzuschauenden Langehalle vorgelagert und wirkt auf den ersten Blick wenig einladend. Lydia und Pascal bieten hier Muscheln, Austern, andere Schalentiere und Meeresfrüchte an. So verkündet es die Werbetafel über der Theke.
Wir schauen kurz über das Angebot und schnell steht unsere Wahl fest. Für sensationelle 9,50 Euro Stückpreis lassen wir uns drei üppig mit Meeresfrüchten gefüllte Teller kommen.
Frische Austern, Garnelen, Langustini, Wellhornschnecken und Krabben stehen sehr appetitlich angerichtet vor uns. Dazu eine leckere Remoulade, ein Stück Butter und reichlich Baguette. Was will man mehr. Mit Genuss lassen wir uns den Meeres-Imbiss schmecken. Wir habe Spaß beim Austern schlürfen, Krabben puhlen und den Wellhornschecken ihr Inneres zu entlocken. Alles ist köstlich zubereitet. Auf jeden Fall ist dies hier nicht nur der kulinarische Höhepunkt des Tages.
Weiter nach Port des Barques
Über die weitere Strecke bis Port des Barques gibt es nicht viel zu berichten. Wir folgen immer noch der D 733 weiter in Richtung Rochefort. Nach dem wir die Niederung der Seudre hinter uns gelassen haben, wird das Land trockener. Aus den feuchten Wiesen links und rechts der Straße sind nun Felder geworden. Mais, Getreide und hier und da auch Wein sind die bestimmten Kulturen dort. Dann biegen wir nach Nordwesten ab. Vor Saint Nazaire sur Charente geht es sogar ein ganz klein wenig bergan. Die Steigung ist aber kaum der Rede wert. Vielleicht sind es 10 oder 15 Meter die der Ort über dem umgebenden Land liegt. Aber sie reicht aus, dass sich unser Blick ein wenig über Landschaft weiten kann.
Dann erreichten wir Port des Barques und steuern der uns schon bekannten und ein wenig abgelegenen Wohnmobilstellplatz an der Avenue des Sports an. Viel passiert heute nicht mehr. Eine kurze Erkundungstour mit dem Rad zum Strand, wo wir alles noch so vorfinden, wie wir es von unserem Besuch hier im August 2017 kannten. Auch der Passe aux Bœufs ist noch da und wird gerade von der Flut verschluckt. Ein Naturschauspiel, dass mir seinerzeit fast zum Verhängnis wurde.