Unsere Radtour im Herbst 2018 an der Werra hatte uns neugierig gemacht. Am Ende der Tour in Hann. Münden vereinten sich Werra und Fulda zur Weser.
Und was kommt danach? Das fragten wir uns nun schon seit Monaten. Geht so weiter wie an der Werra? Durch Fachwerkdörfer- und städte, entlang an weiten Flussschleifen und gesäumt von steiler canyonartiger Landschaft? Oder weitet sich das Flusstal, säumen Industrie und Wirtschaft die Ufer und welche Geschichte wurde an der Weser über die Jahrhunderte geschrieben?
Der Plan
Es soll mit dem Fahrrad von Hann. Münden über Höxter nach Hameln gehen. Hierzu reisen wir von Erfurt mit dem Regionalexpress 2 (Bahnverbindung Erfurt-Kassel) nach Hann. Münden. Von dort aus sind es auf dem Weserradweg ca. 70 Kilometer bis nach Höxter. Von dort aus wiederum ca. 70 Kilometer bis nach Hameln. Eines des bekannten Buchungsportale offeriert uns Unterkünfte in Hann. Münden und Höxter die die gerne buchen. Auch die Bahntickets buchen wir auf bahn.de online. Dabei begleitet uns aber die Ungewissheit, ob das mir der Fahrradmitnahme auch überall klappt. Lediglich auf der Rückfahrt, bei der Teilverbindung zwischen Hameln und Elze besteht die Möglichkeit bei der Nordwestbahn die Mitnahme von Fahrrädern per Telefon oder per Email als Fahrgast anzukündigen.
Sollte alles klappen, hoffen wir am Sonntagabend wieder wohlbehalten in Erfurt anzukommen.
Die Anreise nach Hann. Münden
Der Regionalexpress (RE 2) bringt uns zuverlässig von Erfurt durch das Thüringer Becken, über das Eichsfeld und dann hinunter ins Werratal. Erfurt, Bad Langensalza, Mühlhausen, Leinefelde-Worbis, Heilbad Heiligenstadt und Witzenhausen sind wesentlichen Stationen die auf dieser Strecke, die von der DB-Regio angefahren werden.
Wir haben Glück das wir am Erfurter Hauptbahnhof einsteigen und so zu den ersten gehören, die den Zug betreten. So finden wir sowohl einen Platz für unsere Fahrräder als auch einen Sitzplatz in dem überraschend gut genutzten Zug.
Bis nach Mühlhausen führt die Strecke durch die weite Landschaft des Thüringer Beckens. Die Höhenzüge der Fahnersche Höhe und des Hainich linker Hand sind hier die einzigen Dominaten in der Landschaft. Es geht durch eine Agrar-Landschaft mit riesigen abgeernteten Getreideschlägen und Obstplantagen.
Hinter Mühlhausen ändert sich das Landschaftsbild langsam. Es gilt nun den Höhenzug des Dün zu erklimmen. Hierzu nutzt die Bahnlinie zunächst das weite Tal der Unstrut um dieses bei Silberhausen zu verlassen. Bei Reifenstein nutzten die Gleisbauer vergangener Tage den kleinen Talsattel des Griesgrabens um den Höhenzug zu überwinden. Kurz darauf ist Leinefelde erreicht und unsere Route dreht nun nach Westen und folgt dem Lauf der noch jungen Leine über Heiligenstadt nach Arenshausen.
Die Landschaft des Eichsfeldes die wir hier durchfahren ist äußerst reizvoll, aber irgenwie von den großen Touristenströmen immer nur umflossen worden. Vielleicht liegt das ja an der engen Nachbarschaft des schönen Werratals, dass dem Eichsfeld in dieser Frage das Wasser ein wenig abgräbt.
Schnell ist nun dass letzte Teilstück absolviert. Wir erreichen das Werratal bei Witzenhausen und unsere Bahn nimmt die letzten 15 Kilometer wie im Flug.
Hann. Münden
Pünktlich um 16:26 Uhr erreichen wir den Bahnhof von Hann. Müden und rollen mit den Rädern hinab in die tolle Altstadt. An deren Rand liegt unsere Unterkunft, das „Hotel Fulda“ . Wir schauen ein wenig skeptisch auf die nicht ganz taufrische Fassade. Wir lassen uns jedoch vom äußeren Erscheinungsbild nicht abschrecken und werden mit einem schönen und modern eingerichteten Zimmer mit einem tollen Blick über die verschachtelten Dächer der Altstadt belohnt. Außerdem gibt es im Keller des Hauses eine Unterstellmöglichkeit für unsere Räder, prima. Als Bett & Bike – Hotel ist das Haus bestens auf Radwanderer eingerichtet. Das Personal ist sehr freundlich und bietet an den Lastenfahrstuhl für unser Gepäck zu nutzen. Deshalb können wir die vier Treppen in die zweite Etage leichten Fußes nehmen.
Wir bleiben nur kurz und machen uns auf den Weg die Stadt zu Fuß zu erkunden.
Wir schlendern durch die Gassen und Straßen von Hann. Münden und finden zunächst eine „Amtlich anerkannte Blühstelle“ am örtlichen Bürgertreff.
Das ist eine tolle Idee finden wir. Bei aller Fachwerkpracht fehlt es hier tatsächlich ein wenig an Blumen und anderem Grün.Der Bürgertreff ist an diesem Sommerabend gut gefüllt. Aber es sind hauptsächlich Senioren die sich an einer kleine Bar Kaffee und Kuchen gönnen oder gemeinsam in verschiedenen Gesellschaftspielen vertieft sind.
Fachwerkstadt mit einem Makel
Es ist die mittelalterliche Altstadt mit ihrer Lage am Flußdreick von Werra, Fulda und Weser die Hann. Münden so einzigartig macht. Auf rund 15 Hektar erstreckt sie sich zwischen den historischen Hafenanlagen (Schlagden) und dem südwestlich aufsteigenden Höhenzug des Kaufunger Waldes. Hier reiht sich Fachwerkhaus an Fachwerkhaus. Davon ist vieles neu saniert, manches wartet darauf wach geküsst zu werden, und kaum etwas scheint dem Verfall preisgegeben zu sein.
Wir erreichen den Kirchplatz, den die mächtige Kirche St. Blasius dominiert. Den Platz umschließt eine tolles Fachwerkensemble mit reich gegliederten Fassaden.
Weiter geht es durch die Lange Straße in Richtung Werraufer. Hier hat der „Ritter der Rowurst“ sein Domizil und weiter unten findet sich eine wirklich prächtig Fachwerkecke, dort wo die Häuser mit den Nummern 10 und 12 aneinander stoßen. Leider gibt es aber auch ein nicht so schönes Beispiel Beispiel im Umgang mit der historischen Bausubstanz. Denn an der Nummer 20 erzählt ein Plakat im Schaufenster die traurige Geschichte dieses Hauses. Sie erzählt von Verfall, Gier und Spekulation. Jedoch auch auch hier bringen die Bürger der Stadt Ihren Willen zum Erhalt dieser Schönheit auf jenem Plakat zum Ausdruck.
Weiter zu den Schlagden
Weiter geht es durch das Labyrinth der engen Gassen und Straßen. Reich gestaltetes Fachwerk, an dem man sich kaum satt sehen kann, begleitet uns überall. Deshalb richten wir die Kamera noch auf die diese und jene Fassade und manches Detail. Die seltsam in sich verschlungenen Schnitzereien an den Rähmbalken der Hauser sollen an Schiffstaue erinnern. Eine hervorragende Reminiszenz an das Erbe dieser Stadt.
So erreichen wir die Bremer und Kasseler Schalgd.
„Schlagd“ – ein seltsamer Name wie wir finden. Daher googeln wir nebenher ein wenig und erfahren, dass der Name vom „einschlagen“ von Baumstämmen kommt, mit denen man im Mittelalter die Häfen der Stadt befestigte.
Damit war dann auch die Grundlage für den mittelalterlichen Reichtum der Stadt gelegt. Das Flussdreieck war damals so beschaffen, dass es unmöglich war von der Werra oder der Fulda mit einem Boot auf die Weser hinauszufahren. Deshalb gab es hier die besten Voraussetzungen hier Handel an den drei Flüssen zu treiben.
Hier hieß es abladen, stapeln und wieder aufladen. Drei Häfen gab es seinerzeit in Münden. Den Kasseler Schlagd, den Wanfrieder Schlagd und den Bremer Schlagd. Am Wahnfrieder Schlagd kam über Wahnfried Färberwaid und manches andere landwirtschaftliche Produkt aus dem Thüringer Becken an. Am Kasseler Schlagd wurde nützliches aus der Residenzstadt angelandet und am Bremer Schlagd wurde dann alles in Richtung Bremen und von dort aus weiter bis nach Nordamerika verschifft. Heute künden die Straßennamen, die noch immer breiten Uferstraßen und besonders der „Alte Packhof“ – heute ein Hotel – und von diesen alten Zeiten.
Ein Abend auf dem Markt
Auf dem Platz vor dem Rathaus verbringen wird des Rest des Abends. Leider bleibt die tolle Fassade unseren Blicken weitestgehend verborgen, da wir unter den Schirmen sitzen, die das Ratsbrauhaus für seine Außengastronomie hier aufgestellt hat. Das Wetter und die Atmosphäre hier sind sehr schön, das Essen entspricht den Erwartungen und das Personal ist in Sachen Freundlichkeit und Service eher durchwachsen. Während sich die jungen Damen und Herren sehr um den Gast bemühen und flink die Bestellungen abarbeiten und immer lächeln oder freundliche Wort auf den Lippen haben, fällt eine der erfahrenden Kolleginnen durch Schweigen und eine gewisse Überheblichkeit auf.
Wir lassen uns den Abend aber nicht verderben und kehren erst mit Einbruch der Dunkelheit in unser Hotel zurück.