2. Februar 2018
Warum sind wir in Görlitz
Schon länger hatten wir vor uns Görlitz anzusehen. Es ist ein eher trauriger Anlass der uns ins Sächsische bringt und nun günstige Gelegenheit bietet, Görlitz zu besuchen. Eine Trauerfeier auf dem Friedhof Dresden-Leuben erfordert unsere Anwesenheit. Neben dem traurigen Anlass freuen wir uns viele Verwandte nach langer Zeit wiederzusehen und der Friedhof in Dresden Leuben für uns eine Überraschung. Bereits 1675 angelegt, ist er einer der ältesten Friedhöfe in Dresden. Die alte Friedhofsmauer ist von innen mit prächtigen Grabmalen gesäumt. Fabrikant, Gutsbesitzer, Gasthofinhaber oder Privatus lautet die Auskunft über die Profession der hier bestatteten. Darunter sind sicher viele bedeutende Persönlichkeiten, die sichtbare Spuren in der Dresdener Stadtgeschichte hinterließen. Die „Mutter des deutschen Schauspiels“ Friederike Caroline Neuber (†1760), genannt die Neuberin, ist sicher die bekannteste Person deren Grabmal man hier findet.
Die erforderliche Pietät bei einer Bestattung ließ die Kamera im Reisegepäck, so dass wir diesen besonderen Ort nicht ins Bild setzen konnten. Das hohlen wir bei Gelegenheit aber sicher nach.
Wir machten uns gegen 14.00 Uhr auf den weiteren Weg in Richtung Görlitz. Wir nutzten nicht die Autobahn sondern die Bundesstraße 6, die wir gleich nach der Überquerung der Elbe über das „Blaue Wunder“ erreichten. Die Straße führte uns nicht nur durch die zauberhafte Landschaft der Oberlausitz sondern auch entlang einer der berühmtesten Handelsstraßen des Mittelalters, der Via Regia.
Erster Eindruck von Görlitz
In Görlitz angekommen ist unser Quartier, das Hotel Paul Otto noch verschlossen – so zumindest unser Eindruck. Also machen wir uns auf, die Altstadt zu Fuß zu erkunden. Schon die Nikolaistraße, unsere Anschrift für die nächsten zwei Tage, bestätigte unsere Erwartungshaltung an diese Stadt. Toll restaurierte Bürgerhäuser mit prachtvollen Portalen säumen den Weg hinauf zu Kirche St. Peter und Paul, die mächtig auf einem Bergsporn über der Neiße thront. Leider ist sie verschlossen.
Wir schlendern weiter durch die Peterstraße zum Untermarkt mit dem alten Rathaus und dem Haus „Schönhof“. Prächtige Häuserfassaden umgeben uns. Für einen Freitagnachmittag sind die Straßen jedoch überraschend leer. Warum ist von einem quirligen Treiben an einen Freitagnachmittag Zentrum der Stadt, wie wir es aus unserer Heimatstadt für Erfurt gewohnt sind, hier nichts zu merken. Weitere Fragen beschäftigen uns: Warum hat der Rathausturm zwei Uhren? Was hat es mit der prunkvollen Rathaustreppe auf sich? Warum ziert eine Kopf mit Schnauzbart die untere Rathausuhr?
In der Tourist Information in der Brüderstraße decken wir uns mit Informationsmaterial ein und beschließen, die dort für den nächsten Tag um 10:30 Uhr angekündigte Stadtführung wahrzunehmen.
Nun ist es Zeit im Hotel Paul Otto einzuchecken und den Tag bei einem schönen Essen und einem Glas Wein im hauseigenen Restaurant „Destille“ zu beenden. Ein Vorhaben, welches uns wunderbar gelingt.
3. Februar 2018
Stadtführung
Etwas überpünktlich sind wir am Samstag Vormittag an der Stadtinformation und lösen für sieben Euro pro Person die Tickets für die Stadtführung. Hier durch die Brüderstraße verläuft übrigens auch die Via Regia. Um 10:30 geht es dann los. Der Stadtführer ist höflich, ein wenig zurückhaltend und er macht seinen Job anständig. Zunächst geht es über den Obermarkt, in die Verrätergasse.
Görlitz und die Sache mit der Zeit
In der Verrätergasse erfahren wir, wie 1527 der Aufstand der Tuchmacher verraten wurde. Grund zum Aufstand hatten die Tuchmacher allemal. Nicht Ihnen, die den Wohlstand schufen, war es vergönnt im Rat der Stadt zu sitzen. Dieses Privileg genossen allein die Tuchhändler. Hier in der Verrätergasse, im Haus des Peter Liebig trafen sich nun die Tuchmacher um einen Ausstand zu planen. Um 22:00 Uhr wollten sie das Haus wieder verlassen, da zu dieser Zeit die Stadtwache schon abgezogen war.
Die Obrigkeit hatte davon allerdings Wind von dem Treffen bekommen und die Turmuhr an der Dreifaltigkeitskirche sieben Minuten vorstellen lassen. So liefen die Aufständischen der noch immer patrouillierenden Wache des Rates in der Verrätergasse in die Arme. Die Strafen für die Beteiligten waren drastisch.
Zum Gedenken an dieses Ereignis geht die Turmuhr der Dreifaltigkeitskirche noch heute um sieben Minuten vor.
Dabei gehen die Uhren in Görlitz eigentlich genauer als sonst irgendwo in Deutschland. Durch die östlichste Stadt Deutschlands verläuft der 15. Längengrad, an dem sich die Mitteleuropäische Zeit festmacht. Ein Privileg das in ganz Deutschland nur Görlitz hat. Alles was westlich von hier liegt, hängt der Zeit hinterher. Sind es in Erfurt 15 Minuten die Görlitz zeitlich voraus ist, so sind es in Aachen schon 33 Minuten.
Vom Dicken Turm, dem Warenhaus und dem Kloster
Weiter geht es über den Obermarkt in Richtung Marienplatz. Hier steht eine der Filmkulissen, für die Görlitz so bekannt ist. Das leerstehende Görlitzer Warenhaus, ein Jugendstilbau aus dem Jahr 1913, diente als Kulisse für den in neun Kategorien für den Oscar 2015 nominierten Film Grand Budapest Hotel.
Mit der Eleganz des Warenhauses kann das Schwergewicht auf dem Marienplatz nicht mithalten. Der Dicke Turm oder Frauenturm dominiert den Platz. Über fünf Meter starke Mauern lassen innen nicht viel Platz. Dicht hinter dem Frauentor der ehemaligen Stadtmauer gelegen, diente er als Pulverturm und die starken Wände boten der Stadt ringsum Sicherheit vor dem explosiven Lagergut. Die Südseite des Turms ziert das Wappen der Stadt.
Der Weg führt uns weiter durch die Nonnenstraße zum Klosterplatz. Hier steht der imposante Bau des ehemaligen Klosters. Heute hat hier das Augustum-Anna-Gynmasium seine Heimstatt. Zwei ganz gegensätzliche Brunnen sind rund um das Haus zu finden. Da ist auf der westlichen Seite, mitten auf der Straße der Klosterbrunnen. Ein Oktogon mit prächtigen Schmiedearbeiten. Auf der anderen Seite findet man den Zecherbrunnen. Dieses Kunstwerk aus neuerer Zeit spricht für sich und lässt der Fantasie des Betrachters mache Möglichkeit der Interpretation. Ein kleiner Durchgang führt uns zurück auf den Obermarkt.
Untermarkt
Nur wenige Schritte in Richtung Osten führt uns die Brüderstraße zum alten Rathaus. Dieses liegt direkt an der Via Regia. So zogen die Handelswagen direkt an der Rathaustreppe vorbei. Sie ist ein sehr repräsentatives Meisterwerk aus Frührenaissance. An der Kanzel der Treppe steht die Skulptur der Justitia aus dem Jahr 1591. Sie führt, wie es sich für eine Justitia gehört, das Richtschwert und die Waage bei sich. Die Augenbinde allerdings fehlt. So sollte sie mit ungetrübten Blick ihre Urteile fällen können.
Den Rathausturm zieren auf seiner Ostseite zwei Uhren. Die Untere zeigt auf die Minute genau an, was die Stunde geschlagen hat. Die obere gibt Auskunft über die aktuelle Mondphase und die vollen Stunden. Die untere Uhr hat noch eine originelle Eigenheit. Das Zifferblatt schmückt ein Kopf mit Schnauzbart und dichtem schwarzen Haar. Der Legende nach ist dies der Nachtwächter der einschlief, ein Feuer nicht bemerkte und so einen verheerenden Stadtbrand mit verursachte. Zur Strafe muss er nun immer wach sein und zu jeder vollen Stunde die Zunge herausstrecken und bei jedem Pendelschlag die Augen verdrehen.
Am Untermarkt gibt es noch vieles anderes zu Entdecken. Das mächtige neue Rathaus zum Beispiel mit den Wappen der sechs Städte des Oberlausitzer Städtebundes (Bautzen, Görlitz, Zittau, Lauban, Kamenz und Löbau). Oder der verblüffende Flüsterbogen, der auf geheimnisvolle Weise ein Flüstern auf der einen Seite dieses Torbogens auf dessen andere Seite deutlich hören lässt.
Neißstraße
Die Neißstraße ist prächtig. Alle Fassaden der Häuser sind wundervoll restauriert. Schon von der Rathaustreppe hat man auch einen schönen Blick nach Osten in die Neißstraße, aber auch in der Ferne auf eine Plattenbausünde in Zgorzelec auf der polnischen Seite der Neiße. Vom Untermarkt führt die Neißstraße hinunter zur Neiße. Kurz hinter dem Untermarkt findet man auf der rechten Seite der Straße das Biblische Haus. Neun Szenen aus dem alten und dem neuen Testament schmücken die Fassade des Hauses. Daher sein Name. Weiter unten tolle Barockfassade der Nummer 19.
An der Neiße
Die Neißstraße endet an der Altstadtbrücke. Von der Brücke über die Neiße aus hat man einen tollen Blick auf die Kirche St. Peter und Paul und den mächtigen Waidspeicher. Die Flußmitte der Neiße trennt hier Deutschland und Polen. Schengen sei Dank hat das für uns aber keine Auswirkungen. Ohne jede Kontrolle oder Einschränkung kann man zu Fuß oder mit dem Rad hin und her wechseln. Genauso unkompliziert geht das aber auch mit dem Auto über die stromaufwärts gelegene Brücke der Freundschaft oder mit der Bahn das noch weiter stromauf befindliche Eisenbahnviadukt.
Zgorzelec Hainwald St. Peter und Paul
Hier nun endet die Stadtführung nach ca. eineinhalb Stunden. Da es bis zur Pforte von St. Peter und Paul nur wenige Schritte sind, wollen wir die Gelegenheit gleich beim Schopf packen. Aber auch jetzt ist das Kirchenhaus verschlossen. So nutzen wir die Mittagsstunde für einen kleinen Imbiss in dem gemütlichen Mini-Restaurant „Altstadt Krone“ in der Brüderstraße. Wir entscheiden und für mit Hackfleisch gefüllte Kartoffelklöße an Sauerkraut – einen schlesische Spezialität, wie die Speisekarte verkündet. Hinterher konnten wir sagen: Auch Schlesisch essen kann lecker sein.
Mit dem Stadtschleicher unterwegs
Nach einem kurzen Spaziergang durch die Elisabethstraße und über den Marienplatz treffen wir am Obermarkt, gleich an der Dreifaltigkeitskirche, auf den „Stadtschleicher“. Der Kleinbus will gerade zu einer Stadtrundfahrt aufbrechen und hat noch zwei Plätze frei. Mit 12,50 Euro pro Person sind wir dabei und haben die nun folgenden zwei Stunden nicht bereut.
Die Dame die zum Mikro greift, ist von anderer Natur als unserer Stadtführer vom Vormittag. Sie gibt bei ihren Ausführungen ordentlich Gas und hat viel zu erzählen. Auch diese Tour führt zunächst über den Obermarkt und hier wird natürlich auch die Anekdote von der Verrätergasse erzählt. Aber dann wird des interessant. Auf der Tour lernen wir das Nikolaiviertel kennen. Hier lag einstmals ein Fischerdorf, der Ursprung von Görlitz. Auch die Via Regia führte damals hier entlang, zur Furt durch die Neiße, bevor die Märkte in der Oberstadt entstanden und die Via Regia dort einen neuen Verlauf fand.
Auf dem weiteren Weg durch die Innenstadt wird deutlich, dass bei weitem noch nicht für alle ehemals so prächtigen Häuser ein Happy End in Aussicht ist. Sarkastisch wird an einer Hausfassade der Verfall gefeiert.
Einige paar Meter weiter versucht jemand – sicher mit einem Augenzwinkern – einen Erker mittels Legosteinen vor dem Absturz zu bewahren.
Die Tour mit dem Stadtschleicher führt aber auch durch die Augustastraße und die Kunnewitzer Straße, in denen die prächtigen Jugendstilfassaden aller Häuser in neuem Glanz erstrahlen. Sehr beeindruckend.
Die Tour streift das Villenviertel in der Holteistraße, die klassizistische und noch zu rettende Stadthalle, das Dom Kultury (ehemals Ruhmeshalle) in Zgorzelec auf der anderen Seite der Neiße, die Parkeisenbahn und die Landskron Brauerei. All das zeugt von einem starken und selbstbewussten Bürgertum damals und auch heute wieder.
Nach ca. zwei Stunden entlässt uns der Stadtstreicher wieder auf dem Obermarkt. Wir sind froh diese Tour unternommen zu haben. Nur so konnten wir mit kundiger Führung weitere Seiten von Görlitz entdecken. Ortsunkundig und zu Fuß wären wir dabei verloren gewesen. Danke nochmal an den „Stadtschleicher“.
Abendspaziergang
Bei Stop des „Stadtschleichers“ in der Landskron-Brauerei hatten wir im Besucherzentrum nach einer Brauereiführung erkundigt. Da heute Abend noch einige Plätze frei waren haben wir uns ganz spontan für 25,00 Euro pro Person (inklusive Abendessen) eingebucht.
Wir beschließen den Rest des Nachmittags im Café der Bäckerei Wittig zu verbringen dann einen Abendspaziergang zur Brauerei zu unternehmen. Auf dem Weg stoßen wir dann an vielen Stellen auf den Widerspruch zwischen toll restaurierter Architektur und dem Verfall preisgegebenen Häusern.
Landskron-Brauerei
Die Führung durch die Brauerei ist interessant und auf jeden Fall zu empfehlen. Abfüllung, Sudhaus, Gär- und Lagerkeller sind die Stationen. Man erfährt viel über die Geschichte und das Handwerk des Braugewerbes hier in Görlitz. Die Spezialität der Brauerei: Hier gärt der Sud in offenen riesigen Bottichen au Edelstahl. Der dabei entstehende Schaum wird, im Gegensatz zum heute üblichen gären in geschlossenen Kesseln, von Hand aufwendig abgeschöpft. Schädliche Fuselöle und andere nicht erwünschte Rückstände gelangen so nicht in das Endprodukt.
Der Guide hetzt jedoch ein wenig durch die Führung. Und das hat einen speziellen Grund. Im Preis inbegriffen ist ein Abendessen mit Freibier. Dabei ist die Menge des ausgeschenkten Bieres nicht limitiert, jedoch ist der Zeitpunkt des Endes des Ausschanks ist auf 20:30 Uhr fest gesetzt. Je später die Führung endet, je weniger Zeit für den Freibierausschank. Der Guide wird nicht müde, während der Führung immer wieder darauf hinzuweisen.
In den Wohnräumen der ehemaligen Inhaber der Brauerei wird das Abendessen serviert. Jugendstil an allen Ecken und Enden. Sehr sehr schön. Auch der Freibierausschank findet hier statt. Man kann zwischen vier verschiedenen Sorten wählen. Hinter dem Tresen steht der Guide. Dem macht anscheinend aber nicht nur das Ausschenken Spaß. Es wird ein gemütlicher Abend mit noch noch mehr Informationen über das Braugeschäft in Görlitz, einen leckeren Abendessen und Freibier in einem tollen Ambiente.
Gegen 21:00 Uhr bringt uns ein Taxi zurück zum Hotel Paul Otto, wo wir uns im Restaurant „Destille“ bei einem Glas Wein vom Freibier erholen und den Tag ausklingen lassen.
4. Februar 2018
Schlesisches Museum
Unsere „Stadtschleicherin“ hatte gestern zwei Tipps für uns.
- An jedem ersten Sonntag im Monat ist er Eintritt in die Görlitzer Museen frei.
- Jeden Sonntag um 12:00 Uhr kann man in der Kirche St. Peter und Paul den Klängen der „Sonnenorgel“ lauschen. Ein einmaliges Erlebnis wie sie versprach.
So machen wir uns auf in das Schlesische Museum im Haus „Schönhof“, dem ältesten und schönsten Renaissancebau der der Stadt. Wir lernen hier ein Stück deutscher Geschichte kennen, das uns bisher fast unbekannt war. Der Geschichts- und Geografieunterricht in der DDR hat die Themen Schlesien und Pommern weitgehend ausgeschlossen.
So lernen wir in dem modern gestalteten Museum eine unbekannte Welt kennen die Neugier auf mehr macht. Vorstellt wird die politische und wirtschaftliche Entwicklung Schlesiens. Brauchtum, Kunst und Kunsthandwerk fehlen ebenso wenig die schmerzhaften Kapitel über die Schuld des zweiten Weltkrieges und die daraus folgende Vertreibung der Schlesier deutschen Nationalität. Wer in Görlitz ist, sollte dieses Haus auf jeden Fall besuchen.
Die knappen zwei Stunden die uns hier bleiben, reichen bei weiten nicht diesen Kosmos zu entdecken. Daher entschließen wir uns für gerade einmal zehn Euro den wunderbaren Ausstellungskatalog zu erwerben um uns zu Haus weiter diesem Thema widmen zu können. Denn wir müssen weiter. Um 12:00 Uhr wollen wir in der Kirche St. Peter und Paul sein.
Sonnenorgel
An jedem Sonntag um 12:00 Uhr und an weiteren Terminen findet in der Kirche St. Peter und Paul – die an den letzten beiden Tag so hartnäckig verschlossen war – ein kleines Orgelkonzert auf der berühmten Sonnenorgel statt. Der Name der Orgel rührt von den 15 Rosetten im Prospekt der Orgel her, die aus kleinen Orgelpfeifen gebildet werden und dem zentral im Prospekt angebrachten Zimbelstern in Form einer Sonne. In Drehung versetzt lässt er ein ganz zauberhaftes „Gezimbel“ erklingen.
Das Konzert wird unterbrochen von interessanten Wortbeiträgen zur Geschichte der Orgel und des Hauses. Neben einigen bekannten und unbekannten Orgelwerken bekommen wir auch einzelne Klänge zu Gehör. Der höchste und der tiefste Ton, den Zimbelstern natürlich und einzelne Orgelpfeifen, die Vogelstimmen verblüffend echt imitieren. Ein moderner Synthesizer könnte es nicht besser.
Unsere „Stadtschleicherin“ von gestern hat recht behalten. Dieses Erlebnis war einmalig, dazu kurzweilig und sehr interessant.
Mikwe – das jüdische Bad
Irgendwie hatten wir während unseres Aufenthalts in Görlitz erfahren, dass just der Keller des Hotels Paul Otto, jenem Haus in dem wir für die letzten beiden Tage sehr schön untergekommen waren, ein ganz besonderes Kulturdenkmal birgt. Und heute am Sonntag finden hier im Halbstundentakt Führungen statt.
Praktisch genau unter unserem Zimmer, nur zwei bis drei Ebenen tiefer wurde eine Mikwe, ein mittelalterliches jüdisches Ritualbad entdeckt. Die Kellerräume wurden vom Schutt der Jahrhunderte befreit und so den Besuchern zugänglich gemacht. Der Abstieg mit fachkundiger Führung lohnt sich auf jeden Fall. Das Besondere ist, dass das unterirdische Tauchbecken ständig von frischem Quellwasser durchflossen wir. Die Website des Hotel Paul Otto widmet dieser Geschichte eine eigene Seite mit einem tollen 360°-Video.
Abreise
Zwar sind wir mit dem Auto unterwegs, aber bei unserer Abreise müssen wir unbedingt nochmal am Bahnhof vorbei. Ich bin kein Bahnhofsspezialist. Aber auch wenn der Bahnhof in Görlitz nicht der schönste Bahnhof in Jugendstil ist, so ist er auf jeden Fall einer der Schönsten in dieser Art.
Görlitz ein Fazit
Görlitz ist ein Wochenende Wert, auf jeden Fall. Vielleicht sollte man sich sogar noch ein wenig mehr Zeit nehmen, denn manches konnten wir uns nicht oder nicht näher anschauen. Die Kaisertrutz – heute ein Kunst und Geschichtsmuseum, die Dreifaltigkeitskirche, der Tierpark mit seinen einmaligen roten Pandas oder das Senkenbergmuseum blieben leider links und rechts unseres Weges liegen. Einerseits schade, andererseits ein Grund um wiederzukommen.
Görlitz und seinen Bürgern bleibt zu wünschen, dass die tolle Entwicklung der letzen 20 Jahre seine Fortsetzung findet und das die aktuellen wirtschaftlichen Schatten durch die drohende Schließung der Werke von Siemens und Bombardier wieder abziehen. Vielleicht findet sich ja auch ein neuer Millionenspender. Obwohl, eine so tolle Stadt hat den vielleicht gar nicht nötig.