Wir verbringen zunächst einen guten Teil des Vormittags an der Enseada da Langosteira, der Bucht der Langusten, dem Hausstrand von Finisterra. Gegen Mittag geht es dann landeinwärts nach Santiago de Compostela. Die Kathedrale und der Praza do Obradoiro nehmen uns hier gefangen. Von Santiago de Compostela fahren wir noch bis nach Lugo , um am nächsten Tag die römischen und christlichen Spuren dort zu entdecken.
Langsamer Aufbruch in Finisterra
Wir lassen uns Zeit heute Morgen, nicht nur was den Aufbruch angeht. Den schaffen wir immerhin gegen 10:30 Uhr.
Der Platzwart sorgt mit persönlichem Einsatz rührend dafür, dass wir die etwas enge und steile Ausfahrt gefahrlos für uns und den fließenden Verkehr meistern können.
Wir schaffen ganze zwei Kilometer, dann lassen wir uns vom Praia de Langosteira, dem Strand von Finisterra gefangen nehmen. Es ist einfach herrlich hier. Wir genießen die Sonne, die Aussicht und das reiche Angebot an Muschelschalen, die Steffi mit Begeisterung sammelt.
Gegen 11:30 Uhr rappeln wir uns dann doch noch irgendwie auf und machen uns auf den weiteren Weg, nur im nicht weit entfernten Cee nochmals zu stoppen. Fast hätte ich eine Todsünde begangen. Ein alter Familienbrauch sagt, dass man sich von dem Meer, das man besucht hat, persönlich verabschieden muss. Mit Berührung und guten Worten. Dann klappt es auch, mit einer Rückkehr an dessen Gestade.
Diesen Abschiedsgruß hatte ich am Praia de Langosteira vergessen. Cee bietet nun auf unsere Route die letzte Gelegenheit um diese Schuld gegenüber dem Atlantik einzulösen. So können wir nun, mit der Hoffnung auf eine Rückkehr an den Atlantik, unseren Weg fortsetzen. Hier entscheiden wir uns auch nicht weiter nach Portugal zu fahren. Wir werden uns Santiago de Compostela ansehen und dann durch die Extremaduara und über Sevilla ans Mittelmeer fahren.
Auf dem Weg nach Santiago des Compostela
Als Weg nach Santiago nutzen wir wie so oft nicht die schnellste Strecke. Wir fahren meist auf Straßen, die unser Atlas als „landschaftlich besonders reizvoll“ ausweißt. So steuern wir Santiago über die AC543 an. Es ist tatsächlich eine reizvolle aber auch zeitraubende Variante. Die Zahl der Pilger mit dem Ziel Finisterra, die uns entgegenkommen, ist beachtlich.
Santiago des Compostela
Als wir Santiago dann erreichen, beginnt eine wahre Odyssee auf der Suche nach einem Parkplatz. Über eine Stunde irren wir durch die Stadt und wollen schon aufgeben, als wir in der Rua de Lisboa endlich einen Platz finden, der auch unserer 7,20 Meter langes und fast 3 Meter hohes Wohnmobil aufnehmen kann.
Von hier aus sind des 25 Minuten zu Fuß bis zur Kathedrale. Das ist für uns o.k.
Die Kathedrale
Der Weg dorthin führt über den offiziellen „Camino“. So bekommen wir einen Eindruck, wie die Pilger nach wie vielen Kilometern auch immer hier „einlaufen“. Da wird man schon ein wenig ehrfürchtig.
Die Kathedrale müssen wir über einen Seiteneingang betreten. Das Hauptportal wir gerade renoviert. Das ist aber vollkommen egal. Diese Kirche, die sich Millionen von Pilgern in den letzten fast 900 Jahren zu Ziel gemacht haben, nimmt uns mit ihrem Zauber gefangen. Es ist sicher die großartige Architektur und die phantastische sakrale Kunst, die auf uns einen enormen Eindruck macht. Aber beeindruckender noch, ist die tiefe Religiösität der Menschen um uns herum.
Mir ist besonders eine Szene in Erinnerung geblieben. Ein Kerl von Mann, einer in den besten Jahren, würde man meinen. Einer von jenen die mit beiden Beinen fest im Leben stehen und die nichts so leicht umhaut – denke ich mir. Nennen wir ihn Carlos. Carlos steigt direkt vor uns den die Stufen hinauf, die zum mit Gold und Edelsteinen verzierten lebensgroßen Statue des Heiligen Jakob führen. Und er umarmt es innig und streichelt es zärtlich. Eine Minute lang vielleicht. Ich bin sehr gerührt. Ich meine eine Träne in seinen Augen zu entdecken. Kurze zeit später sehe ich Carlos nochmal. Er kniet tief versunken vor dem Schrein unterhalb des Hauptaltars, der einen Splitter des Kreuzes Jesu enthalten soll.
Wir erkunden noch ein wenig die Wunder dieses Gotteshauses. Die Orgel, die Botafumerio – das weltberühmte Weihrauchfass – welches nur zur hohen Feiertagen oder auf kostenpflichte Bestellung durch das Querschiff geschwenkt wird und die vielen Seitenkapellen sind nur einige Details, die uns in Erinnerung bleiben.
Praza do Obradorio
Wir verlassen die Kathedrale über Ihr südliches Querschiff stehen auf dem Praza des Parterias. Hier wird gerade eine Bühne für ein Festival eingerichtet. Die Klänge von hier sollen uns heute noch einmal grüßen.
Wir umrunden die Kathedrale und erreichen durch die tunnelartige Wallfahrerpforte den Praza do Obradorio. Hier herrscht eine kaum zu beschreibende Feierstimmung. Hier treffen sich die Pilger wieder, die sich auf dem Weg irgendwann schon einmal begegneten oder ein Stück des Weges gemeinsam gingen. Man begrüßt sich mit lautem Hallo, Umarmung und Glückwünschen. Eine kaum zu fassende Ausgelassenheit bestimmt die Szenerie. Irgendwie wünscht man sich dazugehören zu können.
Aber das wäre vermessen. So beobachten wir still die Szenenerie auf diesem herrlichen Platz. Die Kathedrale im Osten, das Colexio de San Xerome im Süden, der Pazo de Raxoi im Westen und das Hostal dos Reis Católicos im Norden rahmen den Praza Obradorio ein und bilden eine wirklich einzigartige Kulisse. Wir könnten noch lange bleiben und dem begeisterten Treiben zusehen.
Aber wir machen uns auf durch die Gassen der Altstadt zurück zum Wohnmobil.
Auf dem Weg nach Lugo
Um unser Tagesziel zu erreichen nehmen wir noch Strecke nach Lugo in Angriff.
Auf dem Weg begegnen wir Hunderten von Pilgern, die auf der wohl bekanntesten Variante des Jakobswegs unterwegs sind. Sie werden wohl morgen oder übermorgen ihr Ziel in Santiago erreichen. Überwiegend scheinen es junge Frauen zu sein, die sich zu zweit oder in kleineren Gruppen auf den Weg gemacht haben. Die Herren sind eher als Einzelpilger unterwegs.
In Lugo angekommen, gestaltet sich die Suche nach dem Stellplatz recht kompliziert. Das liegt nicht an dessen Lage, denn die ist fast ideal. Die mangelnde Beschilderung macht uns das Leben schwer. So parken wir erst recht spät ein.
Als wir den lokalen Radiosender einschalten, ertönen angenehme Soul-Rhythmen. Wie wir der Moderation zwischen den einzelnen Titeln entnehmen können, kommt der sehr hörenswerte Sound eben von jener Festivalbühne auf dem Praza des Parterias in Santiago. So grüßt uns Santiago zum Ende des Tages noch letztes mal aus der Ferne.